23 Okt Aktuelle Rechtsprechung des BAG zur betrieblichen Altersversorgung
Im Jahr 2022 hatte der für Betriebsrenten zuständige dritten Senats des BAG erstmalig die Gelegenheit, sich mit dem obligatorischen Arbeitgeberzuschuss bei der Entgeltumwandlung zu befassen. Weitere Schwerpunkte lagen in den Bereichen Rentenanpassung und allgemeine Geschäftsbedingungen. Der Beitrag schließt an den Überblick zur Rechtsprechung aus dem Jahr 2021 in ArbRAktuell 2022, 33 an.
I. Arbeitgeberzuschuss
In seinen ersten Entscheidungen zum Arbeitgeberzuschuss hat der Senat zwei Konstellationen zur Abweichung von § 1 a BetrAVG durch Tarifvertrag entschieden. Der Kläger im ersten Verfahren (ArbRAktuell 2022, 286 m. Anm. Günther) hatte im November 2018 erklärt, dass er an der Entgeltumwandlung nach dem anwendbaren Tarifvertrag von 2008 bzw. 2009 (TV AV) teilnehmen wolle, was der externe Versorgungsträger zum 1.1.2019 umsetzte. Der TV AV sieht einen Anspruch auf einen sog. Altersvorsorgegrundbetrag und Entgeltumwandlung vor. Der Kläger verklagte seinen Arbeitgeber auf die Leistung eines über den Altersvorsorgegrundbetrag hinausgehenden Zuschusses nach § 1 a Ia BetrAVG für Mai 2019 bis April 2020 an einen externen Versorgungsträger. Die Vorinstanz hatte die Klage mit der Begründung abgewiesen, der Anspruch sei bereits durch die Zahlung des Altersvorsorgegrundbetrags erfüllt. Der dritte Senat äußerte sich hierzu nicht und wies die Revision mit Verweis auf § 26 a BetrAVG zurück. Nach der Vorschrift gilt § 1 a Ia BetrAVG für individual- und kollektivrechtliche Entgeltumwandlungsvereinbarungen, die vor dem 1.1.2019 geschlossen worden sind, erst ab dem 1.1.2022. Maßgeblich sei nicht, wann eine neue Entgeltumwandlungsvereinbarung aufgrund eines Tarifvertrags abgeschlossen worden sei, sondern ob aufgrund bestehender kollektiver Abreden nach dem 1.1.2019 die Notwendigkeit bestand, dass die Kollektivvertragsparteien auf das neue Recht reagierten. Da der TV AV Entgeltumwandlungen abschließend regele, bestehe jedenfalls bis zum 31.12.2021 kein Anspruch auf den Zuschuss. Offen ist damit noch die Frage, ob abweichende Regelungen in „Alttarifverträgen“ den Zuschussanspruch auch für den Zeitraum nach dem 1.1.2022 ausschließen.
Im zweiten Verfahren ging es um den Arbeitgeberzuschuss im Zusammenhang mit einem Haustarifvertrag, der am 15.4.2019 geschlossen wurde und auf einen Tarifvertrag zu Altersversorgung verweist (ArbRAktuell 2022, 402 m. Anm. Günther). Der vom Kläger eingeforderte Arbeitgeberzuschuss sei durch die abweichende und abschließende Regelung im Tarifvertrag gemäß § 19 I BetrAVG ausgeschlossen. Abzustellen sei auf den nach der Übergangsfrist des § 26 a BetrAVG geschlossenen Haustarifvertrag. Voraussetzung für eine Abbedingung sei, dass er eine abweichende Verteilung von wirtschaftlichem Nutzen und Lasten der Entgeltumwandlung enthalte. Ein ausdrückliches Abweichen oder Zitieren von § 1 a Ia BetrAVG sei nicht erforderlich.
Im Ergebnis besteht nun Rechtssicherheit für von § 1 a Ia BetrAVG abweichende Regelungen in Tarifverträgen, die nach dem 1.1.2019 geschlossen wurden, und für den Umwandlungszeitraum bis zum 1.1.2022 auch bei Tarifverträgen, die zuvor geschlossen wurden.
II. Rentenanpassung
Im Mai 2022 entschied der dritte Senat über eine Frage, die für die Bereitschaft von Arbeitgebern, eine betriebliche Altersversorgung zu gewähren, wesentlich sein dürfte. Die Entscheidung betraf § 16 III 2 BetrAVG, wonach eine Ausnahme von der Anpassungsprüfungspflicht gilt, wenn sämtliche Überschussanteile einer über eine Direktversicherung oder Pensionskasse durchgeführten betrieblichen Altersversorgung ab Rentenbeginn zur Erhöhung der Leistungen verwendet werden. Die klagende Rentnerin hatte in Zweifel gezogen, dass diese Ausnahme verfassungs- und unionsrechtskonform ist (ArbRAktuell 2022, 337 m. Anm. Diller). Die Klägerin war am 1.10.2011 mit einer Versorgungszusage über eine Pensionskasse in den Ruhestand getreten. Sie verklagte ihre Arbeitgeberin auf Anpassung ihrer Betriebsrente, nachdem die Pensionskasse keine Überschüsse erwirtschaftet hatte. Die Parteien waren in diesem Rechtsstreit bereits einmal vor dem BAG (ArbRAktuell 2020, 38 m. Anm. Diller). Der Senat entschied, dass § 16 III 2 BetrAVG mit höherrangigem Recht vereinbar ist. Die Norm und die in § 30 c Ia BetrAVG vorgesehene Rückwirkung verstießen nicht gegen das Grundgesetz. Auch stelle die Änderung von § 16 III 2 BetrAVG keinen Verstoß gegen das Verschlechterungsverbot in Art. 7 II EU-Mobilitätsrichtlinie dar. Ein Vorabentscheidungsverfahren sei nicht erforderlich. Arbeitgeber können sich damit auf den Ausschluss der Anpassungsverpflichtung verlassen, soweit dessen Voraussetzungen erfüllt sind.
III. Dreistufentheorie
In Abkehr von der bisherigen Rechtsprechung des Senats ist die verschlechternde Abänderung eines Versorgungswerks auch bei gewerkschaftlichen Arbeitgebern nach dem dreistufigen Prüfungsschema des dritten Senats zu überprüfen (ArbRAktuell 2022, 376 m. Anm. Diller). Dieses lasse sich zwar nicht eins zu eins auf Gewerkschaften übertragen und Arbeitsgerichten sei weiterhin untersagt, die koalitionsspezifische Verwendung der Gewerkschaftsmittel zu bewerten. Die Gewerkschaft müsse aber darlegen, dass ohne die Ablösung des Versorgungssystems eine Einschränkung ihrer gewerkschaftlichen Handlungsspielräume bestünde. Einzelne Aspekte der Entscheidung sind von allgemeiner Bedeutung. So hat der Senat das Kriterium der Generationengerechtigkeit explizit bei der Rechtfertigung des Eingriffs in künftige Zuwächse (dritte Stufe) berücksichtigt. Es sei zudem positiv zu bewerten, dass das Versorgungswerk nicht geschlossen worden sei. Dies wird in gleicher Weise bei Unternehmen berücksichtigungsfähig sein. Der Senat macht ferner deutlich, dass es bei Reaktionen auf wirtschaftliche Schwierigkeiten lediglich darum geht, die Willkürfreiheit des Eingriffs zu belegen.
IV. Teilanspruchsberechnung
§ 2 a I BetrAVG legt fest, dass sich die Berechnung des Teilanspruchs des mit unverfallbarer Anwartschaft ausgeschiedenen Arbeitnehmers nach dem Zeitpunkt des Ausscheidens richtet und nicht nach dem Zeitpunkt des Renteneintritts. Nunmehr hat der Senat klargestellt, dass dies auch für die Fälligkeit gilt (ArbRAktuell 2022, 258 m. Anm. Günther). Die maßgebliche Betriebsvereinbarung bei der Beklagten sah vor, dass Mitarbeiter nach ihrer Pensionierung für die ersten sechs Monate einen Übergangszuschuss erhalten. Hinsichtlich der Fälligkeit war nur vorgesehen, dass der Zuschuss an dem für die Gehaltszahlungen im Unternehmen üblichen Termin gezahlt wird. Der Kläger war 2007 aus dem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten ausgeschieden. Im August 2015 beantragte er alle Leistungen der betrieblichen Altersversorgung bei der Beklagten. Nach Erreichen des 60. Lebensjahrs, der nach den betrieblichen Regelungen für den Kläger maßgeblichen Altersgrenze, erhielt er ab dem 1.12.2015 Leistungen der Beklagten, jedoch keinen Übergangszuschuss. Er arbeitete für einen anderen Arbeitgeber und trat zum 1.6.2019 in den gesetzlichen Altersruhestand ein. Die Beklagte gewährte ihm nur für fünf Monate den Übergangszuschuss. Dieser sei für sechs Monate ab Dezember 2015 zu zahlen gewesen und für Dezember 2015 verjährt. Der Senat legte die Betriebsvereinbarung so aus, dass der Zuschuss bereits für Dezember 2015 zu zahlen gewesen sei. Für die Frage der Verjährung sei entscheidend, ob der Anspruch bereits im Dezember 2015 oder im Januar 2016 fällig wurde. Dies richte sich danach, wann zum Zeitpunkt des Ausscheidens des Klägers – also im Oktober 2007 – das Dezembergehalt im Unternehmen üblicherweise gezahlt wurde. Dies folge aus der Veränderungssperre für unverfallbare Anwartschaften gemäß § 2 a I BetrAVG, da die Norm das Ziel verfolge, dass bei Ausscheiden Klarheit über die Höhe der Leistung besteht. Dieses Bedürfnis bestehe auch hinsichtlich der Fälligkeit. Die Prüfung, ob die Erhebung der Einrede der Verjährung durch den Arbeitgeber erfolgsversprechend ist, ist daher auf Basis der Versorgungsordnung zum Zeitpunkt des Ausscheidens vorzunehmen und im Prozess sollte entsprechend vorgetragen werden.
V. Gleichbehandlungsgrundsatz
Der dritte Senat bestätigte in zwei Parallelentscheidungen (ArbRAktuell 2022, 203 m. Anm. Günther; BeckRS 2022, 6276), dass eine Differenzierung zwischen außertariflichen Arbeitnehmern und Tarifarbeitnehmern bei der Gestaltung von Versorgungsordnungen möglich ist, wenn damit typischerweise ein unterschiedliches Einkommensniveau verbunden ist. Der zuletzt außertariflich vergütete Kläger machte die Festsetzung des Ruhegeldes unter Berücksichtigung einer jährlichen variablen Zulage geltend. Tarifangestellte erhielten von der Beklagten hingegen eine monatliche Zulage. Die Betriebsvereinbarung, aus der sich der Ruhegeldanspruch ergibt, stellte auf das monatliche Bruttogehalt ab. Der Senat legte die Betriebsvereinbarung umfangreich aus und kam zu dem Ergebnis, dass die jährliche variable Zulage nicht ruhegeldfähig sei, die monatliche Zulage der Tarifangestellten hingegen schon. Dies verstoße nicht gegen den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz, wobei sich der Senat zum einen auf die Ruhegeldfähigkeit der Vorgänger-Leistung der monatlichen Zahlung an die Tarifangestellten bezog. Zum anderen könne berücksichtigt werden, dass außertarifliche Arbeitnehmer üblicherweise eher in der Lage dazu seien, Eigenvorsorge zu betreiben. Dass in Einzelfällen Tarifarbeitnehmer mehr verdienten als außertarifliche Arbeitnehmer, sei kein Ausschlusskriterium.
VI. Allgemeine Geschäftsbedingungen
Im Zusammenhang mit zwei Nichtzulassungsbeschwerden hat sich der dritte Senat zur Frage geäußert, ob Fragen der Auslegung von allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung sein können, die eine Revision gemäß § 72 II Nr. 1 ArbGG ermöglichen. Bisher hatte der dritte Senat dies verneint, da AGB keine Rechtnormen seien, sodass die Auslegung keine Rechtsfrage i. S. v. § 72 II Nr. 1 ArbGG darstelle (exemplarisch ArbRAktuell 2019, 448 m. Anm. Romero).
Am Anfang des Berichtsjahres hat der dritte Senat die Frage für den Fall offengelassen, dass die jeweiligen AGB eine Bedeutung erlangen, die denen einer Rechtsnorm mit abstrakter Bedeutung für die Allgemeinheit gleichkommt (ArbRAktuell 2022, 138 m. Anm. Hofer). Hier wehrte sich der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision, nachdem er vor dem LAG mit seinem Begehren auf Berufsunfähigkeitsrente gescheitert war, da die Versicherungsbedingungen eine vom Gesetz abweichende Definition des Begriffs Berufsunfähigkeit enthielten. Die Nichtzulassungsbeschwerde wurde verworfen, da der Kläger nicht ausreichend ausgeführt habe, warum nach einer BGH-Entscheidung zur maßgeblichen Klausel eine erneute höchstrichterliche Prüfung erforderlich sei.
Im Mai ließ der Senat dann die Revision bzgl. der Auslegung der Arbeitsrichtlinien der Caritas zu (BeckRS 2022, 10694), die auf dem Dritten Weg entstandene AGB darstellen. Diese seien zwar keine Rechtsnormen i. S. v. § 72 II Nr. 1 ArbGG, hätten aber eine Bedeutung erlangt, die einer Rechtsnorm mit abstrakter Bedeutung für die Allgemeinheit gleichkomme. Der Zweck der Nichtzulassungsbeschwerde erfordere, sie als Rechtsnorm zu behandeln. Für die Praxis ist das eine begrüßenswerte Entwicklung, da eine höchstrichterliche Klärung solcher Auslegungsfragen Rechtssicherheit bei der Gestaltung und Anwendung von Versorgungsordnungen geben kann.
Noch im Dezember 2021 ergingen mehrere Entscheidungen, für die im letzten Berichtszeitraum noch keine Pressemittelung veröffentlicht waren. Eine Entscheidung betraf eine Klausel zum vertraglichen Ausschluss von einer Versorgungsordnung aufgrund einer anderen bestehenden Versorgung. In dem hier stark verkürzt dargestellten Sachverhalt hatte der Kläger aus einem früheren Arbeitsverhältnis eine Versorgungszusage über eine Pensionskasse. Er wechselte zur Rechtsvorgängerin der Beklagten und vereinbarte mit ihr die Fortführung der Versorgung. Dafür wurde der Kläger von der übrigen betrieblichen Altersversorgung ausgeschlossen. Kurz danach trat bei der Arbeitgeberin eine neue Versorgungsordnung als Betriebsvereinbarung in Kraft, die im weiteren Verlauf abgeändert wurde. Es blieb offen, ob diese Betriebsvereinbarung, auf die sich der Kläger in diesem Verfahren berief, wirksam zustande gekommen war. Nachdem der Kläger mehrfach den Arbeitgeber wechselte, verfolgte er mit seinem Begehren die Leistungen der kollektiven Versorgungsordnung zusätzlich zu der Pensionskassenversorgung. Die Entscheidung ist aus mehreren Gründen unübersichtlich. So ließ der Senat offen, ob die maßgebliche Betriebsvereinbarung nach § 77 IV BetrVG oder nach § 613 a I 2 BGB galt oder ob es sich um eine Gesamtzusage handelte. Auch ließ er offen, ob der vertragliche Ausschluss an den §§ 307 ff. BGB zu messen sei. Er prüfte alle Varianten und kam zum selben Ergebnis. Unter anderem stellte er fest, dass der Arbeitgeber sich nach § 242 BGB nicht auf den vertraglich vereinbarten Ausschluss berufen könne. Er sei nach § 241 II BGB verpflichtet gewesen, bei Einführung der deutlich günstigeren betrieblichen Altersversorgung neu mit dem Kläger zu verhandeln. Falls es sich um AGB handelte, sei die Vereinbarung nach § 307 I BGB unwirksam. In beiden Fällen hätte der Kläger jedoch nur Anspruch auf die betrieblichen Leistungen unter Anrechnung der vom Arbeitgeber getragenen Leistungen der Pensionskasse. Dies ergebe sich – auch für AGB – aus einer ergänzenden Vertragsauslegung. Der Senat erweitert damit seine Rechtsprechung zur ergänzenden Vertragsauslegung bei Rechtsprechungsänderungen (ArbRAktuell 2021, 440 m. Anm. Lingemann) auf Gesetzesänderungen. Eine ergänzende Vertragsauslegung sei möglich, wenn die Unwirksamkeit einer Regelung in einer Versorgungsordnung infolge der späteren Anwendbarkeit des AGB-Rechts zu Belastungen führe, die vom Schutzzweck des Gesetzes nicht gedeckt seien. Dies ist zu begrüßen, denn so werden jedenfalls grob unbillige Ergebnisse aufgrund der problematischen Übergangsregelung des Art. 229 § 5 S. 2 EGBGB verhindert. Nichtsdestotrotz gilt, dass Arbeitgeber weiterhin gut beraten sind, Versorgungsordnungen regelmäßig darauf zu überprüfen, ob sie noch den Anforderungen der Rechtsprechung genügen.
VII. Hinterbliebenenversorgung
Noch im Dezember 2021 setzte sich der Senat einmal mehr mit Klauselwerken zur Hinterbliebenenversorgung auseinander. Gegenstand der Entscheidung waren AGB, die eine Hinterbliebenenversorgung ausschlossen, wenn die Ehe in den letzten zwölf Monaten vor dem Tod des Versorgungsberechtigten geschlossen wurde, es sei denn, er ist an den Folgen eines nach der Eheschließung erlittenen Unfalls oder an einer Krankheit gestorben, die erst nach der Eheschließung eingetreten ist (ArbRAktuell 2022, 125 m. Anm. Diller). Aus der Klausel ergebe sich keine unbillige Benachteiligung i. S. d. § 307 BGB. Die §§ 307 ff. BGB seien gemäß Art. 229 § 5 S. 2 EGBGB anwendbar, obwohl der Pensionsvertrag Ende 1992 unterzeichnet wurde. Hintergrund der Klausel sei nicht der Ausschluss von „subjektiven Versorgungsehen“, also solche Ehen, die geschlossen werden, um einen Anspruch zu begründen. Sie diene dem Schutz vor „objektiven Versorgungsehen“, bei denen sich das Todesfallrisiko bei Eheschließung bereits konkretisiert hätte – z. B. durch eine lebensbedrohliche Krankheit. Insoweit führe die Klausel zu einem angemessenen Ausgleich der Interessen. Die Auferlegung der Darlegungs- und Beweislast auf den Hinterbliebenen sei zumutbar, da dieser regelmäßig zu den Umständen des Todes vortragen und Beweis antreten könne. Das Urteil bietet einen guten Anknüpfungspunkt für die Vertragsgestaltung und setzt klare Maßstäbe für Klauseln zum Ausschluss solcher objektiven Versorgungsehen.
VIII. Ausblick
Im Januar wird sich der dritte Senat mit der dogmatisch wie praktisch spannenden Frage der Einordnung eines Kapitalwahlrechts des Versorgungsgebers als Änderungsvorbehalt oder als Wahlschuld gemäß § 262 BGB auseinandersetzen. Bei Einordnung als Wahlschuld wäre die Ausübung nicht an den Voraussetzungen des § 315 BGB zu messen und die Klausel als Hauptleistungsabrede nach § 307 III BGB keiner AGB-Kontrolle zu unterziehen. Die wirtschaftlichen Implikationen eines Kapitalwahlrechts sind mitunter enorm. Insbesondere aufgrund der jüngsten Niedrigzinsphase weichen der Aufwand für Kapitalleistung und versprochene Rente oftmals erheblich voneinander ab, da viele Klauseln eine Berechnung der Kapitalleistung mit dem Rechnungszinsfuß von 6 % vorsehen. Der dritte Senat hatte 2019 ein tariflich eingeräumtes Wahlrecht unter den Vorbehalt billigen Ermessens gestellt (BeckRS 2019, 18259). Im April 2021 entschied das LAG Hamm hingegen auf Wahlschuld und grenzte aufgrund der Ausgestaltung der Klausel gegen die BAG-Entscheidung ab (BeckRS 2021, 40021, Revision eingelegt unter 3 AZR 501/21). Eine ähnliche Klausel ordnete das LAG Düsseldorf im April 2022 allerdings als Änderungsvorbehalt ein und verneinte ihre Wirksamkeit nach § 308 Nr. 4 BGB (LAG Düsseldorf, BeckRS 2022, 35622, Revision eingelegt unter 3 AZR 220/22). Gegen beide Urteile wurde Revision eingelegt und die mündlichen Verhandlungen sind auf den 17. Januar 2023 terminiert.
Im Berichtszeitraum wechselte im Übrigen der Vorsitz des dritten Senats, nachdem der langjährige Vorsitzende Dr. Bertram Zwanziger in den Ruhestand trat. Im Oktober übernahm Stephanie Rachor den Vorsitz. Es bleibt abzuwarten, welche Akzente sie in den nun anstehenden Entscheidungen setzen wird.
RAin Dr. Charlotte Beck; RA Gero Thole, ALTENBURG, Berlin