24 Jun Gefahrerhöhung bei gebäudebezogenen Versicherungen
Den meisten Eigentümern und Verwaltern von Immobilien ist bewusst, wie sie sich nach Eintritt eines Schadensfalls zu verhalten haben, um den Entschädigungsanspruch gegen den Versicherer nicht zu gefährden. Spätestens bei der Schadensmeldung werden sie darüber von ihm informiert. Weniger verbreitet ist die Kenntnis davon, dass auch bei schadensfreiem Verlauf Handlungsbedarf bestehen kann, um den künftigen Versicherungsschutz nicht zu gefährden. Dabei geht es um die Fälle der sog. Gefahrerhöhung. Der Beitrag bietet einen Überblick zu Grundlagen und Praxisfällen. Dabei werden außer der Gebäudeversicherung auch Inventarversicherungen wie die Hausratversicherung einbezogen.
I. Einführung
Der Fall erregte Aufsehen: Das OLG Dresden1 hat der Inhaberin einer Gaststätte eine Entschädigung wegen eines durch Brandstiftung entstandenen Feuers versagt, weil ihr Sohn auf dem Grundstück Drogen gelagert hatte. Dadurch sei die Gefahr einer Brandstiftung gestiegen, „sei es zur Beseitigung von Spuren oder aus anderen im kriminellen Milieu naheliegenden Motiven – wie beispielsweise Rache, Revierkämpfe etc.“ Darin liege eine Gefahrerhöhung, die nach § 26 I 1 VVG zur Leistungsfreiheit führe.
Nicht jede Gefahrerhöhung ist vergleichbar spektakulär. Der aktuelle Fall wirft aber ein Schlaglicht auf eine Thematik, die für die Praxis der Immobilienwirtschaft eine große Rolle spielt: Wann liegt in einer gebäudebezogenen Versicherung, etwa der Gebäudefeuer-, Leitungswasser-, Hausrat- oder Büroinventarversicherung, eine Gefahrerhöhung vor, und welche rechtlichen Folgen hat dies? Die Frage ist nicht zuletzt im Hinblick darauf bedeutsam, dass Eigentümer, Verwalter und ggf. auch Mieter Nachteile für den Fortbestand des Vertrags und eine Gefährdung des Versicherungsschutzes vermeiden können, indem sie die versicherungsrechtlichen Verhaltensregeln beachten. Bei Verwaltern kommt noch der Aspekt hinzu, dass sie bei einem Verstoß von (Wohnungs- oder Gebäude-)Eigentümern, die dadurch einen wirtschaftlichen Nachteil erleiden, in Regress genommen werden könnten.
Die Privatversicherung beinhaltet – auf eine knappe Formel gebracht – den Tausch eines ungewissen künftigen hohen finanziellen Verlusts, der beim Eintritt eines bestimmten Ereignisses (des Versicherungsfalls) droht, gegen einen feststehenden geringeren Verlust in Gestalt der Prämie. Dieses vertragliche „Tauschgeschäft“ kann nur dann ordnungsgemäß funktionieren, wenn sich die Eintrittswahrscheinlichkeit des Versicherungsfalls und die Schadenshöhe kalkulieren lassen, so dass es dem Versicherer möglich ist, eine dem Risiko entsprechende Prämie zu vereinbaren. Nur dann ist sichergestellt, dass der Versicherer die von ihm abgegebenen Leistungsversprechen dauerhaft erfüllen kann.
Für die Bemessung des zu versichernden Risikos und für die darauf beruhende Prämienkalkulation benötigt der Versicherer vor Vertragsabschluss vom Versicherungsnehmer bestimmte Informationen. Auf entsprechende in Textform zu stellende Fragen hat der Versicherungsnehmer wahrheitsgemäß zu antworten (vorvertragliche Anzeigepflicht nach § 19 VVG; s. IV 1). Bei einer Gebäudeversicherung können bspw. die verwendeten Materialien bedeutsam sein: Handelt es sich um Vollmauerwerk oder um Holz? Ist das Dach mit Ziegeln oder mit Reet gedeckt? Gefragt wird häufig auch nach der Art der Nutzung. Ist etwa eine Lagerhalle zur Lagerung von Akten oder aber von brennbaren Chemikalien bestimmt? Auch die Umgebung des Grundstücks, auf dem sich die versicherte Immobilie befindet, kann eine Rolle spielen: Handelt es sich um Bürogebäude oder um Werkstätten, in denen Schweißarbeiten ausgeführt werden? Derartige Faktoren tragen dazu bei, die versicherte Gefahr zu prägen (zur Indizwirkung der Antragsfragen s. II 1 a).
II. Rechtliche Vorgaben
1. Definition der Gefahrerhöhung
a) Erhöhung der Schadenswahrscheinlichkeit
Die gesetzlichen Vorgaben zur Gefahrerhöhung sind in den §§ 23 bis 27 VVG geregelt. Von diesen Vorschriften kann vertraglich nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers abgewichen werden (§ 32 S. 1 VVG). Der Gesetzgeber hat den Begriff der Gefahrerhöhung nicht definiert. In den für den Versicherungsvertrag jeweils maßgeblichen Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) finden sich oft Konkretisierungen (Bsp.: A 22.1 VGB 2016 Privat – Wert 1914), freilich nur selten eine Definition.
Nach allgemeinem Verständnis ist eine Gefahrerhöhung die Änderung der bei Vertragsabschluss vorhandenen gefahrerheblichen Umstände, welche dazu führt, dass der mögliche Schaden sich vergrößert oder der Eintritt des Versicherungsfalls wahrscheinlicher wird und der Versicherer den Vertrag unter diesen Umständen entweder überhaupt nicht oder jedenfalls nicht zu der vereinbarten Prämie abgeschlossen hätte.2 Vereinfacht lässt sich von einer Erhöhung der Schadenswahrscheinlichkeit sprechen.
Es geht also nicht darum, ob das versicherte Interesse gestiegen ist (was etwa durch einen werterhöhenden Ausbau des versicherten Gebäudes geschehen kann, wodurch Unterversicherung nach § 75 VVG droht). Vielmehr ist allein maßgeblich, dass sich die Schadenswahrscheinlichkeit erhöht. Für den Vergleich der Gefahrenlagen ist eine Gesamtbetrachtung erforderlich.3 Dabei kann es im Einzelfall vorkommen, dass derselbe Umstand, durch den die Gefahr steigt, auch zu ihrer Verringerung führt. Eine solche Gefahrkompensation ist etwa zu erwägen, wenn sich bei einem Gebäudeleerstand das Risiko erhöht, dass Eindringlinge ein Feuer legen, zugleich aber die mit der üblichen Nutzung verbundene Feuergefahr weitgehend entfällt (s. III 4).4 Maßgeblich dafür, dass sich die Gefahr erhöht hat, ist stets die Ausgangslage bei Abgabe der Vertragserklärung des Versicherungsnehmers (§ 23 I VVG). Besteht bereits zu diesem Zeitpunkt ein bestimmter gefahrträchtiger Umstand (zB Öffnungen in einer Brandmauer oder Leerstand), liegt daher keine Gefahrerhöhung vor (s. dazu auch IV 2).5 Für die anfängliche Gefahrlage haben die im Rahmen der vorvertraglichen Anzeigepflicht nach § 19 I VVG zu beantwortenden Fragen eine wesentliche Indizwirkung.6
b) Dauerhaftigkeit
Die Gefahrerhöhung muss für einen gewissen Zeitraum andauern. Es muss also ein neuer Zustand geschaffen werden, der von so langer Dauer ist, dass sich die geänderte Gefahrenlage auf erhöhtem Niveau stabilisiert und Grundlage eines neuen natürlichen Gefahrenverlaufs sein kann, welcher den Eintritt des Versicherungsfalls generell zu fördern geeignet ist.7 Würde man hingegen jede auch nur kurzfristige Erhöhung der Wahrscheinlichkeit, dass der Versicherungsfall eintritt, nach den Regeln der §§ 23 ff. VVG behandeln, wäre der Versicherungsschutz wesentlich entwertet.
Für die erforderliche Dauerhaftigkeit lässt sich kein fester Mindestzeitraum angeben. Der BGH8 hat es zB für eine Gefahrerhöhung in der Photovoltaik-Versicherung nicht genügen lassen, wenn ein Kfz nur für einige Stunden in einer Scheune abgestellt war, die in diesem Zeitraum samt der auf dem Dach montierten Photovoltaikanlage abbrannte. Ebenso stellt es in der Hausratversicherung keine Gefahrerhöhung dar, wenn eine Leiter zwecks Fensterreinigung an die Fassade gelehnt wird und ein Dieb sich mit ihrer Hilfe Zutritt zu einer Wohnung verschafft. Fehlt es an der Dauerhaftigkeit, so kann in dem Verhalten allerdings die Verletzung einer vertraglichen Obliegenheit iSv § 28 VVG oder die grob fahrlässige oder vorsätzliche Herbeiführung des Versicherungsfalls gem. § 81 VVG liegen (s. IV 2, 3).
2. Arten einer Gefahrerhöhung
a) Überblick
§ 23 VVG regelt die Tatbestände der Gefahrerhöhung. Das Gesetz unterscheidet je nachdem, ob der Versicherungsnehmer die Erhöhung selbst herbeigeführt hat oder nicht, zwischen der subjektiven Gefahrerhöhung (§ 23 I VVG), der subjektiven nachträglich erkannten Gefahrerhöhung (§ 23 II VVG) und der objektiven Gefahrerhöhung (§ 23 III VVG).
b) Objektive Gefahrerhöhung
Eine objektive Gefahrerhöhung liegt vor, wenn sich die Gefahr unabhängig vom Willen des Versicherungsnehmers erhöht (vgl. § 23 III VVG). Der Gesetzgeber behandelt diesen Fall demjenigen einer erst nachträglich erkannten, subjektiven Gefahrerhöhung gem. § 23 II VVG gleich. Letzteres betrifft etwa die Situation, dass der Versicherungsnehmer ohne Verschulden (etwa im Zustand alkoholbedingter Schuldunfähigkeit) eine Gefahrerhöhung vornimmt und dies später erkennt. Dieser ohnehin selten vorkommende Fall spielt im Immobilienbereich praktisch keine Rolle. Er soll daher im Folgenden nicht weiter thematisiert werden.
Achtung: Bei einer objektiven Gefahrerhöhung nach § 23 III VVG trifft den Versicherungsnehmer gegenüber dem Versicherer eine Anzeigepflicht. Verletzt er diese vorsätzlich oder grob fahrlässig, so kann dies bei Eintritt des Versicherungsfalls zur Leistungsfreiheit des Versicherers führen (s. u. IV 1).
c) Subjektive Gefahrerhöhung
Nimmt der Versicherungsnehmer selbst eine Gefahrerhöhung vor (subjektive Gefahrerhöhung), so verletzt er die sog. Gefahrstandspflicht: Nach § 23 I VVG darf er nicht ohne Einwilligung des Versicherers eine Erhöhung der Gefahr vornehmen. „Vornahme“ ist dabei das willentliche Herbeiführen einer Gefahrerhöhung. Dafür ist es erforderlich, dass der Versicherungsnehmer diejenigen Umstände kennt, die die Gefahrerhöhung begründen.9 Er muss aber darüber hinaus nicht den Willen haben, durch sein Handeln die Gefahr zu erhöhen. Aus einer objektiven kann eine subjektive Gefahrerhöhung werden. Dies kommt etwa in Betracht, wenn der Versicherungsnehmer eine bei einem Einbruch zerstörte Gebäudesicherung unrepariert lässt (s. u. III 5).10 Allerdings setzt die Anwendung von § 23 I (statt III) VVG in solchen Fällen voraus, dass man eine subjektive Gefahrerhöhung auch durch Unterlassen für möglich hält. Dies lehnt die Rechtsprechung indessen ab.11
d) Unerhebliche oder mitversicherte Gefahrerhöhung
Ganz am Ende der gesetzlichen Regelungen zur Gefahrerhöhung – im Anschluss an die Vorschriften zu den Rechtsfolgen – findet sich eine Vorschrift, die bereits für deren Tatbestand bedeutsam ist: Nach § 27 VVG liegt eine nach den §§ 23 bis 26 VVG zu behandelnde Gefahrerhöhung dann nicht vor, wenn es sich um eine unerhebliche Erhöhung handelt oder wenn die Erhöhung als mitversichert anzusehen ist. Die Erheblichkeit ist nicht identisch mit dem bereits erwähnten Erfordernis der Dauerhaftigkeit. Vielmehr kann auch eine kurzzeitige Erhöhung der Gefahr erheblich sein (zB Schweißarbeiten). Umgekehrt ist es möglich, dass eine geringfügige Gefahrerhöhung auf Dauer eintritt, etwa wenn Chemikalien mit niedriger Explosionsgefahr in der zur Lagerung von Holz bestimmten Halle verwahrt werden.
3. Verantwortliche Personen
a) Versicherungsnehmer, Versicherter
Nach dem Gesetzeswortlaut ist jeweils der Versicherungsnehmer für die Erfüllung der in den §§ 23 bis 26 VVG geregelten Obliegenheiten verantwortlich. Dabei handelt es sich um den Vertragspartner des Versicherers.
Allerdings sind mehrere Besonderheiten zu beachten: So sind bei der Versicherung für fremde Rechnung, bei der der Versicherungsnehmer Versicherungsschutz für das Risiko eines anderen vereinbart, auch die Kenntnis und das Verhalten dieses anderen – des Versicherten – zu berücksichtigen (§ 47 I VVG).12
b) Repräsentantenhaftung
Überdies muss sich der Versicherungsnehmer zwar nicht das Verhalten jedes Erfüllungsgehilfen iSv § 278 BGB zurechnen lassen, wohl aber dasjenige bestimmter Personen, denen er die Verwaltung der versicherten Gefahr (Risikoverwaltung) oder des Vertrags (Vertragsverwaltung) umfassend überlassen hat.13 Diese vom BGH in ständiger Rechtsprechung vertretene sog. Repräsentantenhaftung setzt bei der Risikoverwaltung voraus, dass der Repräsentant die alleinige Obhut über die Sache ausüben und zudem befugt sein muss, in nicht unbedeutendem Umfang für den Versicherungsnehmer zu handeln. Dies führt etwa dazu, dass das gefahrerhöhende Verhalten eines Hausverwalters, dem der Eigentümer und Versicherungsnehmer umfassend die Betreuung des Gebäudes anvertraut hat, für die Anwendung der §§ 23 ff. VVG zulasten des Versicherungsnehmers relevant ist.14
c) Wohnungseigentumsverwalter
Einem WEG-Verwalter ist typischerweise für die Gebäudeversicherung die Vertragsverwaltung anvertraut.15 Dies bedeutet, dass sein Verhalten hinsichtlich der Erfüllung der Anzeigeobliegenheiten nach den §§ 23 ff. VVG den Wohnungseigentümern zugerechnet wird.16 Regelmäßig ist ihm hingegen nicht auch die alleinige Obhut überlassen worden, so dass eine Risikoverwaltung ausscheidet. Nimmt er, sei es durch aktives Tun oder durch Unterlassen, eine Gefahrerhöhung vor, so handelt es sich für die Wohnungseigentümer als Versicherungsnehmer um eine objektive Gefahrerhöhung iSv § 23 III VVG.
d) Familienangehörige
Auch unter Familienangehörigen kommt eine Repräsentantenstellung in Betracht.17 Dabei reicht freilich die Tatsache, dass ein Verwandtschafts- oder Eheverhältnis besteht, nicht aus.18 Auch allein ein Mietverhältnis genügt regelmäßig nicht, um eine Repräsentantenstellung des Mieters anzunehmen.19 Eine andere Frage ist es, ob der Mieter sich dann, wenn er eine Gefahrerhöhung herbeiführt oder sie dem Vermieter nicht meldet, diesem gegenüber schadensersatzpflichtig macht.
Beispiel: So muss ein Mieter, der die Wohnung für einige Zeit nicht bewohnt, dies dem Vermieter anzeigen oder für eine ausreichende Kontrolle der Wohnung sorgen.20 Erfährt der Vermieter – vom Mieter oder anderweitig – von einer Gefahrerhöhung, so hat er die für die Obliegenheiten nach §§ 23 ff. VVG erforderliche Kenntnis.21
4. Rechtsfolgen von Verstößen
a) Überblick
Die Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen § 23 VVG sind in den §§ 24 bis 26 VVG geregelt. Der Gesetzgeber differenziert insoweit danach, ob der Versicherungsnehmer vorsätzlich, grob fahrlässig oder allenfalls leicht fahrlässig gehandelt hat. Inhaltlich reichen die Rechtsfolgen von einer Möglichkeit des Versicherers, den Vertrag vorzeitig zu kündigen oder die Prämie zu erhöhen bis hin zu der besonders einschneidenden Folge einer Leistungsfreiheit, wenn infolge der Gefahrerhöhung der Versicherungsfall eingetreten ist (§§ 24 bis 26 VVG). Diese Normen sind recht komplex; sie differenzieren zum einen zwischen den soeben genannten drei Fällen einer Gefahrerhöhung und zum anderen zwischen verschiedenen Verschuldensgraden.
b) Kündigung
Nach § 24 VVG kann dem Versicherer ein Kündigungsrecht zustehen. Die Einzelheiten ergeben sich aus dieser Norm. Bei einer subjektiven Gefahrerhöhung erlischt das Kündigungsrecht einen Monat, nachdem der Versicherer von der Gefahrerhöhung Kenntnis erlangt hat (§ 24 III Var. 1 VVG).
Für die Praxis wichtig ist, dass in den Fällen, in denen die Kündigung nur mit Monatsfrist erklärt werden kann, der Versicherungsnehmer in die Lage versetzt werden soll, sich so rechtzeitig anderweitigen Deckungsschutz zu besorgen, dass keine zeitliche Lücke entsteht. Freilich gelingt dies je nach Art und Umfang der eingetretenen Gefahrerhöhung bisweilen nicht oder nur gegen eine erheblich höhere Prämie.22 Dies kann insbesondere für WEG-Verwalter eine Herausforderung darstellen, nicht zuletzt deshalb, weil ein bestimmter Versicherungsschutz nach WEG zur ordnungsmäßigen Verwaltung gehört.23
Eine interessante Option zur Abwendung einer Kündigung eröffnet § 24 III Var. 2 VVG: Gelingt es dem Versicherungsnehmer, die Gefahrerhöhung zu beseitigen, so erlischt das Kündigungsrecht. Dies gilt etwa, wenn er das eingelagerte Gefahrgut entfernt (s.u. III 2) oder den Leerstand beseitigt (s. u. III 4), bevor ihm die Kündigung zugeht. Streit besteht darüber, ob eine bereits zugegangene Kündigung auch bei anschließender Beseitigung der Gefahrerhöhung wirksam bleibt. Einige24 bejahen dies unter Hinweis auf die Rechtssicherheit. Dagegen spricht aber entscheidend die Parallele zu § 38 III 3 VVG.25 Im Übrigen bedarf es nach dem Zweck von § 24 III Var. 2 VVG keiner exakten Wiederherstellung des Zustands ex ante. Vielmehr genügt die Herstellung eines vergleichbaren Gefahrzustands.26 In Betracht kommen insbesondere Sicherungsmaßnahmen, etwa indem das durch einen Einbruch zerstörte Ladenfenster versperrt oder ein Wachschutz engagiert wird.
c) Vertragsanpassung
Nach § 25 I VVG kann der Versicherer anstelle einer Kündigung eine höhere Prämie verlangen oder aber die erhöhte Gefahr ausschließen. Führt dies zu einer Prämienerhöhung um mehr als 10 % oder schließt der Versicherer die Gefahr aus, soweit sie erhöht ist, kann der Versicherungsnehmer seinerseits den Vertrag fristlos kündigen (§ 25 II VVG). Die Änderungsmöglichkeit besteht nach dem Gesetzeswortlaut „ab dem Zeitpunkt der Gefahrerhöhung“. Bei einem wörtlichen Verständnis könnte der Versicherer die erhöhte Gefahr rückwirkend ausschließen. Er könnte dann die Leistung für einen zwischen Eintritt der Gefahrerhöhung und Vertragsänderung eingetretenen Versicherungsfall verweigern, ohne dass die besonderen Voraussetzungen des § 26 VVG (zu ihnen s. sogleich II 4 d) erfüllt sind. Dieser Wertungswiderspruch lässt sich vermeiden, indem man annimmt, dass der Ausschluss erst ex nunc wirkt.27
d) Leistungsfreiheit und Fragen der Kausalität
Die für den Versicherungsnehmer schwerwiegendste Rechtsfolge, nämlich die Leistungsfreiheit des Versicherers im Schadensfall, ist in § 26 VVG geregelt. Bei Vorsatz des Versicherungsnehmers wird der Versicherer völlig leistungsfrei. Bei grober Fahrlässigkeit kann er seine Leistung der Schwere des Verschuldens entsprechend kürzen (Quotelung gem. § 26 I 2 VVG). Insoweit obliegt es dem Versicherungsnehmer, sich von der Vermutung grober Fahrlässigkeit zu entlasten. Zur Kürzungsquote ist mittlerweile eine umfangreiche Judikatur28 vorhanden. Nach Ansicht des BGH29 ist im Einzelfall auch eine Kürzung auf Null möglich. Allerdings ist dafür erforderlich, dass das Verhalten nicht allein objektiv, sondern auch subjektiv schlechthin unentschuldbar war. Anders als beim allgemeinen Fahrlässigkeitsmaßstab des § 276 II BGB wird hier also kein rein objektiver Maßstab herangezogen. Dementsprechend kommt es in der Praxis dann, wenn dem Versicherungsnehmer grobe Fahrlässigkeit zur Last fällt, nur sehr selten zu einem völligen Verlust des Anspruchs. Bei einer „mittelgroben“ groben Fahrlässigkeit wird häufig eine Kürzung im Bereich von 25 bis 75 % vorgenommen. Manche Versicherer sind, um die für alle Beteiligten mit der Quotelung verbundene Unsicherheit zu beseitigen, dazu übergegangen, in ihren AVB bei grober Fahrlässigkeit keinen Abzug vorzusehen.
Was die Anforderungen an Vorsatz angeht, so genügt bei § 26 VVG – anders als für das Vorliegen einer subjektiven Gefahrerhöhung nach § 23 I VVG – nicht allein die Kenntnis der gefahrerhöhenden Umstände. Vielmehr muss das Bewusstsein der Gefahrerhöhung hinzukommen, welches allerdings häufig bereits aufgrund der Kenntnis anzunehmen sein wird.30 Für alle Arten von Gefahrerhöhungen gilt zudem grundsätzlich ein Kausalitätserfordernis: Der Versicherer bleibt leistungspflichtig, soweit dem Versicherungsnehmer der Nachweis gelingt, dass die Gefahrerhöhung nicht ursächlich für den Eintritt des Versicherungsfalls oder den Umfang der Leistungspflicht war (§ 26 III Nr. 1 VVG). Darüber, ob dies der Fall ist, wird in der Praxis häufig gestritten. Bisweilen werden dazu auch Sachverständigengutachten eingeholt (Beispielsfall s. IV 2).
Das Kausalitätserfordernis besteht selbst dann, wenn der Versicherungsnehmer die Gefahrerhöhung vorsätzlich herbeigeführt hat. Nur bei arglistigem Handeln ist es analog §§ 21 II 2, 28 III 2 VVG ausgeschlossen.31 In diesen Regelungen kommt nämlich der allgemeine Rechtsgedanke zum Ausdruck, dass derjenige Versicherungsnehmer nicht schutzwürdig ist, der sich bewusst einen Sondervorteil zulasten des Versicherers und der übrigen Versicherungsnehmer verschaffen möchte.32
Eine weitere Einschränkung der Leistungsfreiheit über das Kausalitätserfordernis hinaus enthält § 26 III Nr. 2 VVG. Demnach bleibt die Verpflichtung des Versicherers bestehen, wenn bei Eintritt des Versicherungsfalls die Frist für eine Kündigung durch den Versicherer abgelaufen ist, ohne dass dieser eine Kündigung ausgesprochen hat. Mit dieser Regelung soll sichergestellt werden, dass der Versicherer „Farbe bekennt“: Entweder er stuft die eingetretene Gefahrerhöhung als so schwerwiegend ein, dass er sich vom Vertrag löst, oder er hält am Vertrag fest; im letzteren Fall soll er sich dann aber nicht unter Berufung auf die Gefahrerhöhung seiner sehenden Auges übernommenen erhöhten Leistungspflicht entziehen können.
Praxishinweis: Da § 26 III Nr. 2 VVG voraussetzt, dass eine Frist für die Ausübung des Kündigungsrechts in Gang gesetzt wurde, und dieser Fristbeginn wiederum von der Kenntnis des Versicherers abhängt (§ 24 III VVG), kann der Versicherer seine Rechte aus § 26 VVG nur verlieren, wenn er von der Gefahrerhöhung wusste. Tritt der Versicherungsfall bereits innerhalb der für die Kündigung maßgeblichen Monatsfrist ein, so ist der Versicherer auch dann leistungsfrei, wenn er nicht gekündigt hat.
Keine Besonderheiten gegenüber dem allgemeinen Privatrecht gelten hinsichtlich der Frage, welche Partei das Vorliegen eines bestimmten Verschuldensgrades beim Versicherungsnehmer zu beweisen hat. Die Beweislast für das Nichtvorliegen grober Fahrlässigkeit trägt der Versicherungsnehmer (§ 26 I 2 Hs. 2, II 2 VVG). Diese Belastung des Versicherungsnehmers entspricht einer generellen Wertung im Vertragsrecht, die etwa auch in der Beweislastumkehr in § 280 I 2 BGB zum Ausdruck kommt. Demnach hat derjenige, der objektiv eine Verhaltensregel (hier: eine der Obliegenheiten nach § 23 VVG) verletzt hat, sich hinsichtlich seines Verschuldens zu entlasten. Die Beweisregel des § 26 I 2 Hs. 2 VVG ist allein auf grob fahrlässiges Verhalten bezogen, weil – wie aufgezeigt – einfache Fahrlässigkeit im Rahmen von § 26 I VVG sanktionslos bleibt. Will der Versicherer seine Leistung umfassend verweigern, so obliegt es ihm nach § 26 I 1 VVG (anders als in den Fällen des § 26 II 2 Hs. 1 VVG), den Vorsatz des Versicherungsnehmers zu beweisen.
III. Praxisfälle
1. Baumaßnahmen
Die Einleitung von Bauarbeiten am Versicherungsort kann eine Gefahrerhöhung darstellen.33 Erforderlich ist wie stets, dass dadurch dauerhaft eine erheblich höhere Gefährdung geschaffen worden ist.34 Kontinuierliche Renovierungsarbeiten stellen nicht ohne Weiteres eine Gefahrerhöhung dar, wenn sich keine unbefugten Personen im Gebäude aufhalten.35 Übliche Bauarbeiten, in deren Zug ein Gebäudedach teils abgedeckt wird, werden zudem häufig nach § 27 I Fall 2 VVG mitversichert sein (s. aber etwa auch A 22.1.3 VGB 2016 Privat – Wert 1914 zur Anzeigepflicht bei ganzer oder teilweiser Entfernung des Dachs).36 Werden Baumaßnahmen unsachgemäß, insbesondere unter Verstoß gegen Sicherheitsvorschriften,37 ausgeführt, so kann darin eine Gefahrerhöhung liegen. Ein Beispiel bietet das vorschriftswidrige Aufstellen eines Ofens in einem Holzhaus oder nahe einer hölzernen Wand38 durch einen Nichtfachmann.39 Auch eine bauliche Veränderung nach dem WEG kann versicherungsrechtlich eine Gefahrerhöhung darstellen. Dies gilt etwa für den Einbau von Verschwenkungen in einem Regenfallrohr, wodurch die Gefahr von Verstopfungen steigt.40 In neuerer Zeit gewinnt die Gefahrerhöhung durch unsachgemäße Installation von Smart Home-Anlagen an Bedeutung.41 Eine erhöhte Gefahr kann etwa auch vom Einbau von E-Ladestationen ausgehen. Hier wird bei sachgerechter Ausführung freilich eine konkludente Mitversicherung nach § 27 I Fall 2 VVG nahe liegen. Bei einer baurechtlich genehmigten Errichtung eines Carports in Holzbauweise in direktem Kontakt zur Außenwand eines Wohngebäudes tritt nicht ohne Weiteres ein erheblich erhöhter Gefahrzustand ein; dasselbe gilt für einen Wintergarten.42 Allein die Vergrößerung der Wohnfläche stellt keine Gefahrerhöhung dar;43 hier kann sich aber die Frage einer Unterversicherung (§ 75 VVG) stellen (s. o. II 1).
Gefahrerhöhung durch Unterlassen? Unterlässt der Versicherungsnehmer eine gebotene Baumaßnahme, etwa die Instandhaltung des Gebäudes gemäß den bauordnungsrechtlichen Anforderungen, so kommt eine subjektive Gefahrerhöhung durch Unterlassen in Betracht, sofern man diese überhaupt entgegen dem BGH44 für möglich hält (s. o. II 2 c).45 In solchen Fällen liegt es oft näher, auf die Verletzung einer vertraglichen Obliegenheit abzustellen (zur Abgrenzung s. u. IV 2).
Eine Gefahrerhöhung in der Hausratversicherung kann nach der für die Praxis maßgeblichen Ansicht des BGH eintreten, wenn an der Außenfassade eines mehrstöckigen Gebäudes ein Baugerüst für einen längeren Zeitraum errichtet wird.46 Dadurch können Unbefugten erleichterte Zutrittsmöglichkeiten zum Gebäudeinneren eröffnet werden, etwa weil Fenster oder Balkon- und Terrassentüren in oberen Stockwerken weniger gut gesichert sind als im Erdgeschoss. Wird ein Gerüst für mehrere Wochen oder Monate aufgestellt, so handelt es sich – anders als wenn etwa zwecks Fensterreinigung eine Leiter an die Fassade gelehnt wird – auch nicht lediglich um eine kurzfristige und damit unbeachtliche Gefahrsteigerung (s. o. II 1 b). Für den Gebäudeeigentümer, der die Baumaßnahmen als Bauherr initiiert hat, handelt es sich bei einem Gerüst um eine subjektive Gefahrerhöhung. Für die berechtigten Gebäudenutzer (insb. Mieter, Pächter) ist die Gefahrerhöhung eine objektive.
In der Praxis zieht der Hausratversicherer aus der Vornahme oder Anzeige der Gefahrerhöhung typischerweise keine Konsequenzen für den Versicherungsvertrag. Gleichwohl ist es geboten, die Anzeige vorzunehmen, damit der Versicherer in die Lage versetzt wird, zu prüfen, ob er im Einzelfall doch eine Reaktion für angezeigt hält. In Betracht kommen etwa bestimmte Weisungen, die auf eine Verringerung der Gefahrerhöhung abzielen. Ein Beispiel bietet die Anordnung, dass am Gerüst keine vom Boden aus zugängliche Leitern verbleiben dürfen, die ein Eindringen über obere Stockwerke erleichtern könnten.
2. Gefahrträchtige Lagerung von Sachen
Die Lagerung bestimmter Sachen auf dem versicherten Grundstück kann eine Gefahrerhöhung darstellen.47 Ein Beispiel bietet die Verwahrung von Feuerwerkskörpern in einer Lagerhalle.48 Nach den oben aufgezeigten Regeln (s. II 1 a) gilt dies freilich nicht, wenn Sachen dieser Gattung schon bei Vertragsbeginn eingelagert waren. Die Gefahr muss nicht notwendig von den gelagerten Sachen selbst ausgehen. Vielmehr genügt es, wenn die Lagerung dazu führt, dass ein dauerhaft erhöhtes Risiko von Sachschäden besteht, auch durch das Handeln Dritter. Hierfür kann der eingangs erwähnte Fall des OLG Dresden49 als Beispiel dienen. Auch die Herstellung von Drogen in der versicherten Wohnung kann eine Gefahrerhöhung darstellen.50 Dadurch steigt regelmäßig das Risiko von Brandstiftungen sowie von Einbrüchen, ggf. auch im Hinblick auf die Annahme Dritter, dass sich erhebliche Bargeldmengen in der Wohnung befinden.
Fallbeispiele: Allein die Lagerung von Bargeld oder Wertgegenständen oder deren Präsentation gegenüber Kaufinteressenten51 genügt nicht ohne Weiteres dafür, eine Gefahrerhöhung anzunehmen. Anders kann dies etwa sein, wenn wertvolle Haushaltsgegenstände in einem mitversicherten Kellerverschlag gelagert werden.52 Ein Wechsel des Mieters bei weiterhin zulässiger Nutzung der Gewerberäume zur Lagerung von Sachen bestimmter Art stellt keine Gefahrerhöhung dar.53 Hingegen kann die Lagerung von erhöht brandanfälliger Handelsware in einer Wohnung die Gefahr in relevanter Weise steigern.54
3. Nutzungsänderung
Eine Nutzungsänderung kann dann eine Gefahrerhöhung bewirken, wenn die Wahrscheinlichkeit, dass der Versicherungsfall eintritt, dauerhaft nicht nur unerheblich steigt. Der BGH55 stellt dabei darauf ab, ob die Risikolage sich dadurch so geändert hat, dass nach den Regeln der Versicherungstechnik und -mathematik eine höhere Prämie geboten gewesen wäre.
Einen solchen Fall hatte das OLG Hamm56 zu beurteilen: Die Gebäudefeuerversicherung bezog sich auf ein für einen Kfz-Betrieb mit Reifenhandel genutztes Gebäude. Im Versicherungsschein wurde die Immobilie als „Geschäftsgebäude mit Handelsbetrieben“ bezeichnet. Nach Vertragsabschluss vermietete der Versicherungsnehmer das Obergeschoss an den Betreiber eines Bordells. Als es dort zu einem Brand kam, lehnte der Versicherer eine Entschädigung ab, da eine Gefahrerhöhung gem. § 26 I 1 VVG vorliege. Das OLG Hamm hat die Klage des Versicherungsnehmers abgewiesen. In der Tat führt die Umnutzung von einem Handels- in einen Bordellbetrieb wegen des damit häufig verbundenen kriminellen Milieus zu einer Gefahrerhöhung. Diese typisierende Betrachtung wird auch vom BGH57 gebilligt. Nach seiner Einschätzung bedarf es nicht des Nachweises, dass die Ausübung der Prostitution statistisch häufiger zu Bränden in den genutzten Räumen führt, und auch der Umstand, dass der Gesetzgeber durch die Verabschiedung des ProstG das Sittenwidrigkeitsverdikt beseitigt hat, spielt keine Rolle. Es genügt sogar, wenn sich die Absicht zur künftigen Nutzung als Bordell verdichtet hatte, etwa durch Einreichung eines bauaufsichtsrechtlichen Antrags auf Nutzungsänderung.58
Diese strenge Linie der Rechtsprechung überzeugt. Einem Versicherungsnehmer, der eine derart einschneidende Änderung der im Vertrag vorausgesetzten Nutzung vornimmt, ist es zumutbar, dies dem Versicherer anzuzeigen und es ihm zu überlassen, ob er daraus Konsequenzen zieht. So lehnen einige Anbieter eine Gebäudeversicherung für Bordellbetriebe rundheraus ab, andere verlangen einen erheblichen Risikozuschlag. Könnte ein Versicherungsnehmer sich diesen Konsequenzen entziehen, indem er dem Versicherer die Nutzungsänderung verschweigt, ohne dass dies Folgen für den Versicherungsschutz hätte, so würde damit außer dem Versicherer auch der Gesamtheit aller Versicherungsnehmer geschadet, die das erhöhte Risiko über Prämienerhöhun-
gen und/oder reduzierte Beitragsrückerstattungen mitfinanzieren müssten.
Fallbeispiele: Die aufgezeigten Regeln gelten auch dann, wenn ein als Gaststätte versichertes Gebäude als Diskothek genutzt wird.59 Praktisch bedeutsam ist zudem der Fall, dass die Wohnung an Feriengäste vermietet wird. Ob in diesem Fall eine Gefahrerhöhung anzunehmen ist, hängt – gemäß dem allgemeinen Grundsatz – von einer Gesamtbetrachtung der Risikolage bei Vertragsschluss und bei der nachfolgenden Vermietung ab.60 Entsprechendes gilt, wenn der Versicherungsnehmer seine nicht brandgeschützte Garage für besonders feuergefährliche Kfz-Reparaturen nutzt.61 Ist eine Garage nicht allein für die Verwendung als Kfz-Unterstand versichert, so ist schon deshalb ihre Nutzung als Werkstatt bei unveränderter Gefahrlage nicht nach § 23 I VVG anzeigepflichtig.62
4. Leerstand
Recht häufig hat sich die Rechtsprechung mit der Frage zu befassen, ob der Leerstand von Gebäuden oder Wohnungen eine Gefahrerhöhung bedeutet.63 Typischerweise geht es dabei um Fälle, in denen der Leerstand von außen erkennbar ist. Es besteht dann eine je nach den Umständen mehr oder minder große Gefahr, dass Unbefugte (insb. Wohnsitzlose, Kinder oder Jugendliche) eindringen und – etwa durch Entzünden eines Feuers oder durch die Verursachung einer Überschwemmung – einen Versicherungsfall herbeiführen. In solchen Fällen kommt es in Betracht, dass der Versicherer nach §§ 23 I, 26 I VVG leistungsfrei ist. Für die Beurteilung, ob im „Leerstehenlassen“ ohne Beaufsichtigung eine (subjektive) Gefahrerhöhung liegt, ist – wie dargelegt (s. o. II 1 a) – eine Gesamtbetrachtung der maßgeblichen Umstände erforderlich. Sorgt der Versicherungsnehmer für eine Beaufsichtigung oder hält er sich selbst regelmäßig in der Wohnung auf, so kann schon dies dazu führen, dass keine Gefahrerhöhung vorliegt.64 Ansonsten ist jeweils danach zu differenzieren, um welche Gefahr es geht. Stehen drohende Leitungswasserschäden in Rede, so kann allein der Leerstand zu einer Gefahrerhöhung führen, wenn regelmäßige Kontrollen unterbleiben und ein Rohr frostbedingt birst (vgl. auch IV 2).
Achtung: Allein der Leerstand eines Gebäudes führt hingegen hinsichtlich der Feuergefahr für sich genommen nicht zu einer Gefahrerhöhung. Im Gegenteil wird diese Gefahr jedenfalls in bestimmter Hinsicht sogar geringer (Gefahrkompensation; s. bereits II 1 a).65 Es entfallen nämlich die mit einer Nutzung verbundenen möglichen Brandherde, etwa in Gestalt der klassischen Fälle eines unbeaufsichtigt auf dem Herd stehen gelassenen Topfs mit heißem Öl,66 unbewachter Kerzen67 oder von Funkenflug bei Schweißarbeiten.68
Daher sind hier stets zusätzliche Umstände erforderlich, um eine Gefahrerhöhung anzunehmen. So kann ein vernachlässigtes äußeres Erscheinungsbild des Gebäudes zu einer Einstufung als Gefahrerhöhung führen.69 Sind etwa Fenster eingeschlagen oder steht die Eingangstür offen, so kann dies Unbefugte anlocken. Auch die Lage des Grundstücks ist in die Betrachtung einzubeziehen. Bei Gebäuden in Randlagen oder gar im Außenbereich (§ 35 BauGB) führt ein von außen erkennbarer Leerstand typischerweise zu einer höheren Gefahr unbefugten Eindringens als etwa inmitten von Wohngebieten oder sonstigen geschlossenen Ortsteilen.70 Werden während des Leerstands regelmäßig Renovierungsarbeiten durchgeführt, so spricht dies gegen eine Gefahrerhöhung.71 Dasselbe gilt jedenfalls für die Gebäudeversicherung, wenn nur einzelne Wohnungen in einem Mehrfamilienhaus leer stehen.72 Auch der Zeitraum spielt eine Rolle: Ist etwa ein Einfamilienhaus nur für eine relativ kurze Zeit von wenigen Wochen unbewohnt, die nicht über eine übliche Urlaubsabwesenheit hinausreicht, so spricht dies gegen eine leerstandsbedingte Gefahrerhöhung. Wie bei jeder Gefahrerhöhung ist es nämlich auch beim Leerstand erforderlich, dass der Zustand für einen gewissen Zeitraum andauert, so dass dauerhaft ein höheres Gefahrniveau erreicht ist (s. allg. II 1 b).
Aktuell: Die genannten Regeln gelten auch für den Fall, dass ein Gewerbebetrieb stillgelegt wird.73 Hier ist die reduzierte Betriebsgefahr gegen das erhöhte Risiko abzuwägen, dass Unbefugte eindringen. Auch bei vorübergehenden Stilllegungen wie derjenigen während des COVID-19-bedingten Lockdowns im Frühjahr 2020 hängt eine Gefahrerhöhung mithin auch davon ab, inwiefern Maßnahmen gegen ein solches Eindringen getroffen wurden.
Der Gefahrerhöhung durch Leerstand nicht ohne Weiteres gleichzusetzen ist es, wenn Gebäudeschlüssel verloren gehen und dadurch womöglich Unbefugten der Zugang zum Gebäude erleichtert wird. Dies gilt jedenfalls im Hinblick auf die Feuergefahr.74 In der Einbruchdiebstahlversicherung kann hingegen darin, dass ein Schlosstausch nicht nur kurzzeitig unterblieben ist, eine Gefahrerhöhung liegen.75
5. Wegfall von Gebäudesicherungen
Sind bei Vertragsbeginn bestimmte Sicherungen, insbesondere Alarmanlagen oder physische Einbruchshemmnisse, vorhanden und fallen diese während der Vertragslaufzeit weg, kann darin eine Gefahrerhöhung liegen. Dies hat etwa das LG Berlin76 im prominenten Fall des Diebstahls einer Goldmünze aus dem Bode-Museum angenommen. Hier hatten Museumsmitarbeiter die elektronische Öffnungsüberwachung eines Fensters wegen einer Störung deaktiviert; die Diebe hatten dies zum Einstieg in das Gebäude genutzt. Das Gericht sah in der Entfernung der Fenstergriffe durch die Museumsmitarbeiter keine ausreichende Kompensation der subjektiven Gefahrerhöhung. Auch die Entfernung eines Rollgitters vor einem Antiquitätengeschäft (nach einem Einbruch) ist als Gefahrerhöhung eingestuft worden.77 Bei der unterbliebenen Reparatur eines funktionsuntüchtig gewordenen Rollladens kommt es für die Einordnung als subjektive Gefahrerhöhung darauf an, ob man Letztere auch durch Unterlassen für möglich hält, was der BGH78 verneint (s. dazu II 2 c).
6. Betretungsverbot
Eine objektive Gefahrerhöhung kann anzunehmen sein, wenn eine Behörde es untersagt, das versicherte Gebäude zu betreten. Dies hat das OLG Köln79 in einem Fall angenommen, in dem eine gewerblich genutzte Halle gegen Schneedruck versichert war und das Landratsamt ein Betretungsverbot wegen Einsturzgefahr ausgesprochen hat. Dadurch wurde dem Versicherungsnehmer die Möglichkeit genommen, einzugreifen, um das Risiko zu vermindern.
7. Anstiftung Dritter zur Sachbeschädigung („Brandrede“)
Fordert der Versicherungsnehmer Dritte ernstlich – und nicht nur erkennbar „spaßeshalber“ oder aus einer kurzzeitigen, womöglich durch Alkoholkonsum beeinflussten Stimmung heraus – dazu auf, die versicherte Sache zu beschädigen, so liegt darin eine subjektive Gefahrerhöhung gem. § 23 I VVG.
Ein praxisrelevantes Beispiel ist die sog. „Brandrede“: Sie liegt vor, wenn der Versicherungsnehmer Dritte dazu motiviert, das versicherte Gebäude in Brand zu setzen.80 Hingegen genügt es für eine Gefahrerhöhung nicht, wenn gegenüber Dritten lediglich von einer möglichen Inbrandsetzung gesprochen wird, ohne dass diese damit dazu angestiftet werden sollen.81
8. Drohung Dritter mit Sachbeschädigung
Eine (objektive) Gefahrerhöhung kann auch darin liegen, dass ein Dritter dem Versicherungsnehmer androht, die versicherten Sachen zu beschädigen. Praktisch bedeutsam ist diese Frage für die Schutzgelderpressung, wie sie in einigen Milieus in der Gastronomie, zudem bei bestimmten Unterhaltungsbetrieben (Spielsalons, Bordellen), bisweilen vorkommt. Damit hatte sich auch der BGH82 in einem über das konkrete, offenbar keineswegs singuläre Geschehen hinaus aufschlussreichen Fall zu befassen.
Ein Gastwirt hatte für seine Gaststätte eine Versicherung gegen Einbruchdiebstahl und Vandalismus abgeschlossen. Anschließend erhielt er anonyme Anrufe, in denen ihm „Schutz und Versicherung“ angeboten wurden, „weil immer etwas passieren könne“. Sodann wurde er zu monatlichen Zahlungen iHv 750 Euro aufgefordert. Der Gastwirt reagierte nicht. Im März brachen Unbekannte in die Gaststätte ein und entwendeten Bargeld. Gegenüber dem Versicherer verschwieg der Gastwirt bei der Schadensmeldung die Anrufe. Im Juni verwüsteten Unbekannte die Inneneinrichtung der Gaststätte. Bei der erneuten Schadensmeldung berichtete der Gastwirt dem Versicherer von den Anrufen. Dieser berief sich daraufhin auf Leistungsfreiheit und kündigte zudem den Versicherungsvertrag, weil ihm die eingetretene Gefahrerhöhung nicht rechtzeitig angezeigt worden sei.
Der BGH hat sich hier für eine differenzierende Lösung entschieden. Außer Frage steht, dass sich infolge der über mehrere Monate hinweg versuchten Schutzgelderpressung die Gefahr von Einbruchs- und Vandalismusschäden dauerhaft erhöht hat. In dem ersten Erpressungsversuch erblickte der BGH freilich eine mitversicherte Gefahrerhöhung (§ 27 Fall 2 VVG). Die Definition der versicherten Gefahr knüpft in der Einbruchdiebstahl- und Vandalismusversicherung nämlich an die Herbeiführung des Versicherungsfalls durch Dritte an. Allerdings hat der BGH83 hier in den mehrfachen Anrufen zu Recht eine Besonderheit gesehen: Durch die daraus hervorgehende Wiederholungsabsicht bei gleichzeitiger Tendenz zur Eskalation hat sich die Gefahrenlage in einer Weise verändert, die bei Vertragsabschluss von den Parteien nicht mit einkalkuliert worden war, auch wenn Schutzgelderpressungen bei Gastwirten nicht selten vorkommen. Daher ist beim zweiten anders als beim ersten Schadensfall nicht von einer mitversicherten Gefahrerhöhung auszugehen. Der Gastwirt hätte die objektive Gefahrerhöhung jedenfalls im März gem. § 23 III VVG anzeigen müssen. Der Versicherer konnte daher den Vertrag mit Monatsfrist kündigen (§ 24 II VVG). Der Versicherungsfall im Juni ist zudem später als einen Monat nach dem Zeitpunkt eingetreten, zu dem die Anzeige dem Versicherer hätte zugehen müssen (vgl. § 26 II 1 VVG).
Praxishinweis: Für die Frage, ob der Versicherer leistungsfrei ist, kommt es daher darauf an, ob der Versicherungsnehmer sich vom Vorwurf des Vorsatzes befreien kann (vgl. § 26 II 2 VVG). Dies wird ihm in Fällen wie dem vom BGH84 entschiedenen regelmäßig nicht leicht fallen. Fällt ihm grobe Fahrlässigkeit zur Last, so kann der Versicherer seine Leistung entsprechend dem Grad der groben Fahrlässigkeit anteilig kürzen (§ 26 II 2 Hs. 2 iiVm I 2 VVG).
Einen weiteren Beispielsfall bietet die Drohung eines Ehemanns, seine Frau (die Versicherungsnehmerin) mit dem Einfamilienhaus in die Luft zu sprengen. Nachdem er das von ihm zuletzt allein bewohnte Haus tatsächlich zerstört hatte, hielt der Gebäudeversicherer der Ehefrau entgegen, dass sie die Drohung nach § 23 III VVG hätte anzeigen müssen. Der BGH85 hat hier eine Gefahrerhöhung in Zweifel gezogen, da die Drohung der Ehefrau und nicht der Zerstörung des Hauses galt, sie nur kurzfristig wirkte und zudem in Betracht kam, dass die Ehefrau die Gefahrerhöhung nicht kannte, weil sie diese womöglich als nur einmalig auffasste oder nicht ernst nahm.
IV. Abgrenzung zu anderen gefahrbezogenen Verhaltensregeln
1. Vorvertragliche Anzeigepflicht, § 19 VVG
Das Gesetz stellt nicht allein in den §§ 23 ff. VVG Verhaltensregeln in Bezug auf die versicherte Gefahr auf. So trifft den Versicherungsnehmer bereits vor Vertragsabschluss eine Obliegenheit, die in Textform gestellten gefahrbezogenen Fragen des Versicherers wahrheitsgemäß und vollständig zu beantworten (§ 19 I VVG). Hat der Versicherer es versäumt, einen gefahrerheblichen Umstand zu erfragen, so kann er sich im Hinblick auf diesen Umstand nicht auf eine Gefahrerhöhung berufen. Dies wird in der Rechtsprechung bisweilen verkannt, wenn es unternommen wird, die Regeln der §§ 23 ff. VVG auch auf bereits bei Vertragsabschluss bestehende Gefahrumstände zu erstrecken (s. dazu im Kontext des anfänglichen Leerstands IV 2). Die zeitlichen Anwendungsbereiche von § 19 VVG einerseits und § 23 VVG andererseits sind nicht überschneidungsfrei voneinander abgegrenzt. Wenn der Versicherer nach Abgabe der Vertragserklärung des Versicherungsnehmers, aber vor Vertragsabschluss (weitere) Fragen nach gefahrerheblichen Umständen stellt, besteht insoweit die vorvertragliche Anzeigepflicht fort (§ 19 I 2 VVG). Zugleich greifen aber in diesem Zeitraum nach Abgabe der Vertragserklärung bereits die Anforderungen des § 23 VVG ein. In diesen Fällen sind die §§ 19 ff. VVG und die §§ 23 ff. VVG nebeneinander anwendbar.86
Merke: Bei einem Wohnungswechsel geht die Hausratversicherung üblicherweise bedingungsgemäß auf die neue Wohnung über. Ist der Versicherungsnehmer im ursprünglichen Versicherungsantrag nach gefahrerhöhenden Umständen nicht gefragt worden, so kann die Auslegung ergeben, dass die in der neuen Wohnung erhöhte Gefahr nach § 27 Var. 2 VVG mitversichert sein soll.87
2. Gefahrbezogene vertragliche Obliegenheiten, § 28 VVG
In den AVB sind vielfach Obliegenheiten vorgesehen, die präventiv zur Verminderung der Gefahr beitragen sollen. So muss der Versicherungsnehmer in der Heizperiode üblicherweise die nicht genutzten wasserführenden Rohre entleeren oder aber die Räume beheizen. Die Rechtsfolgen eines Verstoßes richten sich nach § 28 I–III VVG. Demnach steht dem Versicherer ein Kündigungsrecht zu, sofern der Versicherungsnehmer sich nicht vom insoweit vermuteten Verschuldensgrad von grober Fahrlässigkeit oder Vorsatz entlasten kann. Sehen die AVB vor, dass der Versicherer leistungsfrei ist, so tritt diese Folge bei Vorsatz ohne Weiteres ein; bei grober Fahrlässigkeit kann der Versicherer seine Leistung nach den bereits erwähnten Regeln (s. II 4 d) kürzen. Verletzt der Versicherungsnehmer die soeben genannte Obliegenheit zur Rohrentleerung oder Beheizung und kommt es infolge dessen zu einem Leitungswasserschaden, so knüpft die Rechtsprechung88 für die Rechtsfolgen meist nicht an die – daneben anwendbaren – Vorschriften der §§ 23 ff. VVG zur Gefahrerhöhung an. Vielmehr werden die Verhaltensregeln in den AVB herangezogen.
Ein aktuelles Beispiel bietet ein Fall, mit dem sich das OLG Koblenz89 zu befassen hatte. Hier hatte der Versicherungsnehmer sein Wohngebäude über längere Zeit leer stehen lassen und allenfalls unregelmäßig kontrolliert. Es kam zu einem Wasseraustritt aus einem Riss an der Mischbatterie der Duscharmatur. Ein gerichtlich eingeholtes Sachverständigengutachten gelangte zu dem Ergebnis, dass nicht Materialermüdung, sondern Frost für den Riss ursächlich war. Die AVB enthielten eine Obliegenheit, nicht genutzte Gebäude oder Gebäudeteile genügend häufig zu kontrollieren und dort alle wasserführenden Anlagen und Einrichtungen abzusperren, zu entleeren und entleert zu halten. Der Versicherer berief sich auf eine Verletzung dieser Obliegenheit sowie auf eine Gefahrerhöhung; er erklärte sich daher nur zur Zahlung von 25 % der Schadenssumme bereit. Das OLG Koblenz90 führte in seinem Hinweisbeschluss aus, dass die Kürzung um 75 % wegen grob fahrlässiger und schadensursächlicher Obliegenheitsverletzung berechtigt sei. Das LG Bad Kreuznach91 als Vorinstanz hatte diese Rechtsfolge noch entscheidend auf eine Verletzung der gleichfalls in den AVB geregelten Pflicht gestützt, den Leerstand als Gefahrerhöhung anzuzeigen; das OLG Koblenz ließ diese Frage offen. Im konkreten Fall entsprach dies im Hinblick darauf der Prozessökonomie, dass der Leerstand offenbar schon bei Vertragsabschluss bestand und nicht angezeigt wurde. Das LG Bad Kreuznach machte es sich insoweit zu leicht, indem es die Anzeigeobliegenheit wegen Gefahrerhöhung für diesen Fall entsprechend heranzog.
Beachte: Die Regeln über die Gefahrerhöhung gelten erst ab Abgabe der Willenserklärung des Versicherungsnehmers (s. § 23 I VVG). Für den vorangehenden Zeitraum sind die Regeln zur vorvertraglichen Anzeigepflicht des Versicherungsnehmers nach § 19 VVG maßgeblich. Diese Pflicht besteht allerdings grundsätzlich nur im Hinblick auf solche gefahrerheblichen Umstände, nach denen der Versicherer den Versicherungsnehmer in Textform gefragt hat. War eine solche Frage unterblieben, so kann dem Versicherungsnehmer auch nach Vertragsabschluss aus der Nichtanzeige des Leerstands regelmäßig kein Vorwurf gemacht werden. Wie dargelegt, gehen die Regeln über die Gefahrerhöhung als Ausgangspunkt gerade von der Gefahrenlage bei Vertragsschluss aus. Diese umfasst mangels einer entsprechenden Frage grundsätzlich auch den anfänglichen Leerstand (zur Indizwirkung der Fragen nach § 19 I VVG s. II 1 a).
3. Herbeiführung des Versicherungsfalls, § 81 VVG
Der Versicherer ist grundsätzlich auch dann leistungspflichtig, wenn der Versicherungsnehmer den Versicherungsfall mit einfacher Fahrlässigkeit selbst herbeigeführt hat. Wer also ohne grobes Verschulden etwa die Haustür offen stehen lässt oder leicht entzündliche Substanzen lagert, kann – sofern sich infolgedessen eine versicherte Gefahr realisiert – für den entstandenen Schaden den Versicherer in Anspruch nehmen. Fällt dem Versicherungsnehmer hingegen Vorsatz zur Last, so ist der Versicherer leistungsfrei (§ 81 I VVG). Wer nämlich vorsätzlich den Versicherungsfall herbeiführt, beseitigt damit einseitig bewusst die Ungewissheit des Schadenseintritts, die für das ordnungsgemäße Funktionieren des Versicherungsgeschäfts konstitutiv ist (vgl. auch § 2 II VVG zum Wegfall der vereinbarten Pflichten bei einseitiger Kenntnis von einem bereits vor Vertragsschluss eingetretenen Versicherungsfall).
Praktisch bedeutsamer ist der Fall, dass der Versicherungsnehmer den Versicherungsfall nicht vorsätzlich, sondern grob fahrlässig herbeigeführt hat. Dann ermöglicht es § 81 II VVG ebenso wie der daneben anwendbare92 § 26 I 2 VVG dem Versicherer, seine Leistung quotal zu kürzen (s. II 4 d). Sind die Voraussetzungen beider Normen erfüllt, so kommt es freilich nicht etwa zu einer mehrfachen Kürzung des Anspruchs, da hier ein und dasselbe Verhalten des Versicherungsnehmers für beide Sanktionen maßgeblich ist.
Eine mehrfache Kürzung kann nur dann erfolgen, wenn mehrere unterschiedliche Verhaltensweisen jeweils einen Verstoß darstellen, zB wenn der Versicherungsnehmer eine Gefahrerhöhung vorgenommen und überdies nach Eintritt des Versicherungsfalls seine Aufklärungspflicht nach § 31 VVG verletzt hat.93 Ob über die Folge der quotalen Kürzungsmöglichkeit hinaus auch die weiteren Rechtsfolgen der §§ 24, 25 VVG eingreifen, hängt davon ab, ob das als Herbeiführung des Versicherungsfalls zu qualifizierende Verhalten so dauerhaft ist, dass darin zugleich eine Gefahrerhöhung liegt (s. II 1 b). Dies wird in der Praxis nur selten der Fall sein.
V. Fazit
Für grundstücksbezogene Versicherungen spielen die Regeln über die Gefahrerhöhung eine bedeutsame Rolle. Verletzt der Versicherungsnehmer eine der ihn nach § 23 VVG treffenden Obliegenheiten, so kann dies schwerwiegende Folgen haben. Insbesondere entfällt dann, wenn er die Kausalitätsvermutung des § 26 III Nr. 1 VVG nicht widerlegen kann, sein Anspruch auf die Versicherungsleistung je nach Verschuldensgrad teils oder völlig. Es empfiehlt sich daher, die in Betracht kommenden Fälle einer Gefahrerhöhung im Blick zu behalten: Durch eigenes Handeln sollte die Gefahr nicht erhöht werden (§ 23 I VVG; s. II 2 c). Wer Kenntnis vom Eintritt einer objektiven Gefahrerhöhung erlangt, sollte diese dem Versicherer gemäß der Vorgabe in § 23 III VVG unverzüglich anzeigen (s. II 2 b). Noch besser ist es, eine erkannte Gefahrerhöhung – sofern möglich – rasch und dauerhaft zu beseitigen (vgl. § 24 III Var. 2 VVG). Dafür muss nicht zwingend der Zustand ex ante wiederhergestellt werden; oft wird es genügen, gefahrkompensierende (Sicherungs-)Maßnahmen vorzunehmen (s. II 4 b).
1 OLG Dresden ZfS 2020, 507 = BeckRS 2020, 13943 Rn. 14 ff.
2 S. zum Folgenden Armbrüster, Privatversicherungsrecht, 2. Aufl. 2019, Rn. 1256 ff.
3 StRspr; s. nur BGH NJW-RR 2004, 1098 (1099); NZM 2009, 758 Rn. 22; r + s 2012, 489 Rn. 11.
4 Zur Gefahrkompensation s. Armbrüster in Prölss/Martin, VVG, 31. Aufl. 2020 (im Erscheinen), § 23 Rn. 27 ff.; Looschelders in Looschelders/Pohlmann, VVG, 3. Aufl. 2016, § 23 Rn. 10; Wandt, Versicherungsrecht, 6. Aufl. 2016 Rn. 866. Eingehend zur Gefahrerhöhung in der Feuerversicherung Wussow VersR 2001, 678.
5 Vgl. BGH NJW-RR 2002, 1101 (sub II 5 a); OLG Frankfurt a. M. BeckRS 2011, 21149; OLG Naumburg VersR 2016, 854 (855) = BeckRS 2016, 7611.
6 Armbrüster in Prölss/Martin (o. Fn. 4), § 23 Rn. 13; Looschelders in Looschelders/Pohlmann (o. Fn. 4), § 23 Rn. 13.
7 BGHZ 7, 311 (317) = NJW 1952, 1291; BGH NZM 1999, 430.
8 BGH NJW 2015, 631 Rn. 17 f.
9 BGHZ 50, 385 (387 f.) = NJW 1969, 42.
10 OLG Frankfurt a. M. FHZivR 31 Nr. 4884 Ls. = VersR 1985, 825.
11 BGH VersR 1982, 33 (34) = BeckRS 2008, 14424; NJW 1987, 2443; so auch HK-VVG/Karczewski, 4. Aufl. 2019, § 23 Rn. 25; Hahn in Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Hdb., 3. Aufl. 2015, § 20 Rn. 15; dagegen etwa Armbrüster in Prölss/Martin (o. Fn. 4), § 23 Rn. 101 ff.; Langheid in Langheid/Rixecker, VVG, 6. Aufl. 2019, § 23 Rn. 29 ff.
12 S. dazu Klimke in Prölss/Martin (o. Fn. 4), § 47 Rn. 5 ff.
13 S. nur BGHZ 122, 250 = NJW 1993, 1862 (1864); BGHZ 171, 304 = NJW 2007, 2038 Rn. 8 f.; HK-VVG/Felsch (o. Fn. 11), § 28 Rn. 113 ff.
14 OLG Hamburg NJOZ 2004, 2658 (iErg freilich offen lassend). S. auch LG Berlin r + s 2020, 460 Rn. 21 ff. (n. rkr.) zur „Weiterübertragung“ der Repräsentantenstellung an Museumsmitarbeiter (str.).
15 S. etwa OLG Köln NZM 2001, 551 (552).
16 Zur versicherungsrechtlichen Rechtsstellung der Wohnungseigentümer s. LG Hamburg ZWE 2012, 55 (57); Armbrüster ZWE 2009, 109; Dötsch ZMR 2014, 169.
17 Vgl. etwa OLG Dresden ZfS 2020, 507 = BeckRS 2020, 13943 Rn. 12.
18 BGH VersR 1982, 463 (465) = BeckRS 2008, 18458 betr. Ehegatten; Looschelders r+s 2015, 581 (589).
19 BGHZ 107, 229 = NJW 1989, 1861; Bruns Privatversicherungsrecht, 2015, § 18 Rn. 13; Looschelders r + s 2015, 581 (589).
20 BGH NJW 1972, 34 (35 sub III 2).
21 S. zB LG Stendal r + s 2018, 19 betr. Kenntnis von Nutzung einer Wohnung als Bordell.
22 S. zu dieser Problematik etwa Looschelders/Weckmann VersR 2010, 1446 (1447), im Kontext der Schutzgelderpressung (zu dieser s. u. III 8).
23 S. dazu Armbrüster in Bärmann, WEG, 14. Aufl. 2018, Anh. § 1 Rn. 250 ff.
24 S. etwa Looschelders in Looschelders/Pohlmann (o. Fn. 4), § 24 Rn. 16; MüKoVVG/Reusch, 2. Aufl. 2016, § 24 Rn. 20.
25 Armbrüster in Prölss/Martin (o. Fn. 4), § 24 Rn. 11.
26 Looschelders in Looschelders/Pohlmann (o. Fn. 4), § 24 Rn. 15; Matusche-Beckmann in Bruck/Möller, VVG, 9. Aufl. 2008, § 24 Rn. 18; aA Honsell VersR 1981, 1094.
27 Looschelders in Looschelders/Pohlmann (o. Fn. 4), § 25 Rn. 6; Schimikowski r + s 2009, 353 (355 f.).
28 Zusammenstellung bei Armbrüster in Prölss/Martin (o. Fn. 4), § 28 Rn. 215 ff.; HK-VVG/Felsch (o. Fn. 11), § 28 Rn. 171 ff.
29 BGHZ 190, 120 = NJW 2011, 3299 Rn. 23 ff.; krit. Armbrüster (o. Fn. 2), Rn. 412.
30 BGH NJW 2015, 631 Rn. 8 ff. m. teils krit. Anm. Heyers NJW 2015, 633; OLG Celle r + s 2017, 414 Rn. 61. S. auch LG Berlin r + s 2020, 460 Rn. 17 ff. (n. rkr.).
31 Looschelders in Looschelders/Pohlmann (o. Fn. 4), § 26 Rn. 19.
32 Näher Armbrüster (o. Fn. 2), Rn. 298 ff.
33 OLG Frankfurt a. M. VersR 1977, 657 = BeckRS 2014, 21408.
34 OLG Hamm r + s 1986, 263 (264).
35 LG Erfurt BeckRS 2009, 20096.
36 BGH NJW-RR 1992, 793 (794) zur Sturmversicherung; HK-VVG/Karczewski (o. Fn. 11), § 23 Rn. 33.
37 Langheid in Langheid/Rixecker (o. Fn. 11), § 23 Rn. 62.
38 S. OLG Celle NJOZ 2010, 598 (601).
39 S. öOGH VersR 1992, 1424.
40 Vgl. LG Hamburg ZWE 2014, 360.
41 S. dazu Rudkowski VersR 2017, 1 (2 f.).
42 OLG Karlsruhe VersR 2010, 1641 (1643) = BeckRS 2010, 14652. Vgl. auch OLG Schleswig NJOZ 2009, 1016 zu Arbeiten an einem Rohbau.
43 OLG Hamm NJW 2000, 1729 (1730).
44 BGH VersR 1982, 33 (34) = BeckRS 2008, 14424; NJW 1987, 2443.
45 Dafür etwa LG Kiel VersR 2010, 1366 = BeckRS 2010, 25442; dagegen HK-VVG/Karczewski (o. Fn. 11), § 23 Rn. 25 mit Fn. 70.
46 BGH NJW 1975, 1841 Ls. = VersR 1975, 845; Bruns (o. Fn. 19), § 18 Rn. 3, aA Armbrüster in Prölss/Martin (o. Fn. 4), § 23 Rn. 41, 63a (übliche Baumaßnahmen sind mitversichert).
47 Näher Armbrüster in Prölss/Martin (o. Fn. 4), § 23 Rn. 49 f.
48 Vgl. LG Köln r + s 2010, 246 (247).
49 OLG Dresden ZfS 2020, 507 = BeckRS 2020, 13943 Rn. 14 ff.
50 OLG Celle r + s 2017, 414 Rn. 51 ff.; OLG Saarbrücken VersR 2020, 547 (548) = BeckRS 2020, 7308, beide zur Hausratversicherung.
51 OLG Köln NJOZ 2006, 4189 (4191).
52 AG Bremen r + s 2009, 336 betr. Musikanlage im Wert von über 7000 Euro.
53 LG Hanau BeckRS 2004, 151775 Rn. 24.
54 LG Düsseldorf ZfS 2008, 279 = BeckRS 2008, 7730 Rn. 20 ff.
55 BGH r + s 2012, 489 Rn. 11.
56 OLG Hamm r + s 2015, 235 (237 f.).
57 BGH r + s 2012, 489 Rn. 12.
58 BGH r + s 2012, 489 Rn. 9.
59 BGH NJW-RR 2004, 1098 (1099).
60 OLG Oldenburg NJOZ 2016, 1935 Rn. 29.
61 LG Essen r + s 2002, 207 (208). S. auch OLG Hamm VersR 1982, 966 = BeckRS 2010, 14601.
62 Versicherungsombudsmann eV (Hrsg.), Jahresbericht 2019, 80, betr. Brand eines defekten Akkuladegeräts.
63 Näher Armbrüster in Prölss/Martin (o. Fn. 4), § 23 Rn. 46 ff.
64 OLG Celle NJOZ 2010, 2256; OLG Köln BeckRS 2013, 7423. Zu den Anforderungen an die beaufsichtigende Person s. LG Düsseldorf r + s 1996, 32. Zur erforderlichen Frequenz s. LG Bad Kreuznach BeckRS 2019, 47202 Rn. 32: „Abstand von etwa allen 2 bis 3 Tagen“ sei angemessen (s. hierzu auch die Nachinstanz OLG Koblenz NZM 2020, 894).
65 BGH VersR 1982, 466 = BeckRS 1982, 30382160; OLG Celle NJOZ 2010, 2256 (2257); LG Köln r + s 1994, 187 (188).
66 S. etwa BGH NZM 2011, 894; OLG Köln NVersZ 2001, 521; LG Dortmund NJOZ 2012, 209; LG Göttingen r + s 2015, 611.
67 S. etwa OLG Oldenburg NJW-RR 2000, 480; OLG Düsseldorf NJW-RR 1998, 1636.
68 OLG Oldenburg NVersZ 1999, 436.
69 OLG Köln r + s 2000, 207; OLG Rostock NJW-RR 2007, 1671 (1672); OLG Naumburg VersR 2016, 854 (855) = BeckRS 2016, 7611; OLG Dresden BeckRS 2020, 28360 Rn. 34.
70 BGH VersR 1982, 466 = BeckRS 1982, 30382160; OLG Köln r + s 1997, 424; OLG Saarbrücken NJW-RR 2004, 1339 (1340).
71 OLG Köln r + s 1997, 424 (425).
72 OLG Frankfurt a. M. FHZivR 25 Nr. 4683 Ls. = VersR 1979, 1021.
73 Langheid in Langheid/Rixecker (o. Fn. 11), § 23 Rn. 61. S. auch BGHZ 79, 156 = NJW 1981, 926 zur Stilllegung einer Diskothek.
74 OLG Frankfurt a. M. BeckRS 2004, 18519 Rn. 10.
75 S. dazu Armbrüster in Prölss/Martin (o. Fn. 4), § 23 Rn. 63 a; abl. OLG Hamm NJW-RR 1987, 859.
76 LG Berlin r + s 2020, 460 Rn. 11 ff. (n. rkr.).
77 OLG Frankfurt a. M. FHZivR 31 Nr. 4884 Ls. = VersR 1985, 825.
78 Für subjektive Gefahrerhöhung – allerdings ohne Auseinandersetzung mit der gegenläufigen Rechtsprechung des BGH VersR 1982, 33 (34) = BeckRS 2008, 14424; NJW 1987, 2443 – OLG Frankfurt a. M. NJW-RR 1988, 33 (34).
79 OLG Köln VersR 2016, 845 (846 f.) = BeckRS 2016, 12047.
80 OLG Schleswig VersR 1992, 1258 = BeckRS 2009, 17889; OLG Düsseldorf r + s 1997, 27 (28); OLG Brandenburg NVersZ 2000, 284.
81 OLG Köln BeckRS 2013, 7423.
82 BGHZ 186, 42 = NJW 2010, 3450; hierzu Looschelders/Weckmann VersR 2010, 1446.
83 BGHZ 186, 42 = NJW 2010, 3450 Rn. 26.
84 BGHZ 186, 42 = NJW 2010, 3450.
85 BGHZ 140, 365 = NZM 1999, 430.
86 MüKoVVG/Reusch (o. Fn. 24), § 23 Rn. 110 ff.; Wandt (o. Fn. 4), Rn. 869.
87 OLG Köln r + s 2000, 205 (206).
88 BGH NJW 1995, 56 (57); Hahn in Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Hdb. (o. Fn. 11), § 20 Rn. 5 a.
89 OLG Koblenz NZM 2020, 894.
90 OLG Koblenz NZM 2020, 894 (896).
91 LG Bad Kreuznach BeckRS 2019, 47202.
92 S. nur Looschelders in Looschelders/Pohlmann (o. Fn. 4), § 23 Rn. 7.
93 Zur umstrittenen Vorgehensweise bei der Bildung der Gesamtquote in solchen Fällen Armbrüster (o. Fn. 2), Rn. 416 ff.
Quelle: Dr. Christian Armbrüster: * Der Autor ist Professor und Inhaber des Lehrstuhls für Bürgerliches Recht, Handels- und Gesellschaftsrecht, Privatversicherungsrecht und Internationales Privatrecht an der Freien Universität Berlin und Richter am KG aD.