08 Jan Die Betriebsunterbrechungsversicherung
Mögliche Einordnung des zu versichernden Risikos als Sondertatbestand mit Bezug auf unbewegliche Sachen iSd VersStG für Zwecke internationaler Versicherungsprogramme
Durch das Gesetz zur Modernisierung des Versicherungsteuerrechts und zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften (VersStRModG) v. 3.12.2020 (BGBl. 2020 I 2659) wurden die sog. Sondertatbestände auf in Drittstaaten belegene Risiken ausgeweitet. Hierdurch ist eine Ausweitung der deutschen Versicherungsteuerbarkeit von im Drittland belegenen Sachversicherungsrisiken unter bestimmten Voraussetzungen erfolgt. Bei Betriebsunterbrechungsversicherungen, die regelmäßig in Kombination mit Sachversicherungen abgeschlossen werden, ist daher zu unterscheiden, ob dieses zu versichernde Risiko ebenfalls zum Sondertatbestand der Risiken mit Bezug auf unbewegliche Sachen einzuordnen ist. Je nach Einordnung kann eine Steuerbarkeit von deutscher Versicherungsteuer bei Drittstaatenrisiken entstehen und eine mögliche Doppelbesteuerung auslösen, wenn Drittstaaten dieses Risiko ebenfalls besteuern.
I. Einleitung
Der europäische Richtliniengeber hatte Ende der 1980er Jahre festgestellt, dass einige Mitgliedstaaten keine Versicherungsteuer oder ähnliche Abgaben erheben, während in anderen Mitgliedstaaten bei der Erhebung erhebliche Unterschiede bezüglich Voraussetzungen und Steuer- bzw. Abgabensätzen bestehen. Um Wettbewerbsverzerrungen bei Versicherungsleistungen zwischen den Mitgliedstaaten zu vermeiden, wurde die sog. Zweite Schadenrichtlinie erlassen, wodurch die Besteuerung von Versicherungsleistungen an die Risikobelegenheit geknüpft wurde.1
Zur weiteren Harmonisierung verschiedener Richtlinien, wie bspw. der zuvor genannten Zweiten Schadenrichtlinie, wurde darauffolgend in der sog. Solvency II-Richtlinie in den Begriffsbestimmungen die Risikobelegenheit detailliert beschrieben.2 Hierdurch sollte eine mögliche Doppelbesteuerung weiter eingedämmt werden. Aufgrund sehr unterschiedlicher Prämienbesteuerungssysteme innerhalb des EWR war eine materiell rechtliche Harmonisierung nicht möglich und jedem Mitgliedstaat sollte das ausschließliche Besteuerungsrecht in seinem Territorium anhand der dort belegenen Risiken zugewiesen werden.3
Für die Zwecke dieser Solvency II-Richtlinie bezeichnet gemäß Art. 13 Nr. 13 der Ausdruck „Mitgliedstaat, in dem das Risiko belegen ist“, einen der nachfolgend genannten Mitgliedstaaten:
a)bei der Versicherung entweder von Gebäuden oder von Gebäuden und den darin befindlichen Sachen, sofern diese durch den gleichen Versicherungsvertrag gedeckt sind, den Mitgliedstaat, in dem die Immobilien belegen sind;
b)bei der Versicherung von zugelassenen Fahrzeugen aller Art den Zulassungsstaat;
c)bei einem höchstens viermonatigen Vertrag zur Versicherung von Reise- oder Ferienrisiken ungeachtet des betreffenden Zweigs den Mitgliedstaat, in dem der Versicherungsnehmer den Vertrag geschlossen hat;
d) in allen nicht ausdrücklich in Buchst. a, b oder c genannten Fällen den Mitgliedstaat, in dem Folgendes belegen ist:
1) der gewöhnliche Aufenthalt des Versicherungsnehmers; oder
2) wenn der Versicherungsnehmer eine juristische Person ist, die Niederlassung dieses Versicherungsnehmers, auf die sich der Vertrag bezieht.
Der nationale Gesetzgeber hat bei der Erfassung von Binnenmarkt-Sachverhalten (wenn das Versicherungsverhältnis mit einem im EWR niedergelassenen Versicherer geschlossen wurde) die Regelungssystematik des Richtlinienrechts in das deutsche Versicherungsteuergesetz (kurz: VersStG) übernommen.4 Zur Vereinfachung ist nachfolgend immer von einem im EWR niedergelassenen Versicherer auszugehen.
Der Sondertatbestand der Versicherung von Gebäuden gemäß Art. 13 Nr. 13 Buchst. a der Solvency II-Richtlinie wurde im nationalen Gesetz als Sondertatbestand der unbeweglichen Sachen gemäß § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 VersStG umgesetzt. Dieser ist unabhängig von der Ansässigkeit des Versicherungsnehmers und knüpft lediglich an die Belegenheit der unbeweglichen Sache an. Die weiteren Sondertatbestände sind nachfolgend unbeachtlich.
Der allgemeine Tatbestand gemäß Art. 13 Nr. 13 Buchst. d der Solvency II-Richtlinie wurde in § 1 Abs. 2 S. 3 VersStG umgesetzt, der als eine Art Auffangtatbestand auf die Ansässigkeit des Versicherungsnehmers abstellt.
Die Einordnung als Sondertatbestand entscheidet über die Begründung deutscher Versicherungsteuer, wenn bspw. versichertes Gebäude und Versicherungsnehmer sich nicht im gleichen Land befinden.
II. Ausweitung der Sondertatbestände auf Drittstaaten durch VersStRModG
Das VersStRModG v. 3.12.2020 wurde am 9.12.2020 im Bundesgesetzblatt verkündet.5
Durch das VersStRModG wurden mit § 1 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 bis 4 VersStG die sog. Sondertatbestände auf Drittstaaten (Staaten außerhalb des EWR) ausgeweitet, wenn ein im EWR niedergelassener Versicherer einen Versicherungsnehmer mit Wohnsitz, gewöhnlichem Aufenthalt oder Sitz in Deutschland versichert.
Diese Sondertatbestände bestehen aus der Versicherung von Risiken mit Bezug auf unbewegliche Sachen, Risiken mit Bezug auf Fahrzeuge in amtlichen oder amtlich anerkannten Registern, Reise- oder Ferienrisiken mit einer Laufzeit von nicht mehr als vier Monaten sowie den neu geschaffenen Risiken für Betriebsstätten außerhalb des EWR. Zur Bestimmung verweisen diese auf die ursprünglichen Sondertatbestände aus § 1 Abs. 2 S. 1 VersStG. Lediglich die Norm des Betriebsstättenrisikos wurde gänzlich neu geschaffen. Nachfolgend wird nur der Sondertatbestand der unbeweglichen Sachen betrachtet.
Durch diese Ausweitung kann eine Doppelbesteuerung drohen, wenn dieselben Risiken im Drittland einer Besteuerung unterliegen. Nach dem Brexit ist dies sogar für große Volkswirtschaften innerhalb Europas möglich.6 Diese mögliche Doppelbesteuerung kann im Hinblick auf grenzüberschreitende Deckungen zu Rechtsstreitigkeiten mit ausländischen Steuerbehörden führen.
Schmidt sieht hierin allerdings kein Problem.7 Seines Erachtens existieren für Drittland-Sachverhalte keine gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben, so dass Mitgliedstaaten autonom entscheiden können, ob und anhand welcher Kriterien diese besteuert werden.8
1. Klarstellendes BMF-Schreiben v. 7.9.2021
Anfangs herrschte in der Versicherungsbranche in bestimmten Konstellationen Rechtsunsicherheit. Beispielsweise war unklar, ob der Sondertatbestand der unbeweglichen Sachen aus § 1 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 VersStG dem Sondertatbestand der unselbständigen Betriebsstätte aus § 1 Abs. 2 S. 2 Nr. 4 VersStG vorgeht und parallel angewendet werden muss.
Das BMF hat am 7.9.2021 ein weiteres klarstellendes Schreiben zum Thema VersStRModG veröffentlicht.9 Unter Tz. VIII. wird die Steuerbarkeit der Versicherung von Sonderrisiken iSd § 1 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 bis 3 VersStG beschrieben.
Der erste Sondertatbestand in Nr. 1 betrifft Risiken mit Bezug auf unbewegliche Sachen, insbesondere Bauwerke und Anlagen, und auf darin befindliche Sachen mit Ausnahme von gewerblichem Durchfuhrgut. In dem BMF-Schreiben wird (inklusive eines Beispiels am Ende) beschrieben, dass bei Versicherung einer fremden Gesellschaft mit Sitz in einem Drittland oder einer im Drittland belegenen Betriebsstätte auch oder ausschließlich die in den Nr. 1 bis 3 des § 1 Abs. 2 S. 2 VersStG genannten Sonderrisiken zu einer Steuerbarkeit mit deutscher Versicherungsteuer führen.
Im dortigen Beispiel versichert eine in Berlin ansässige Muttergesellschaft mit einer Generalpolice im Drittland ansässige Tochtergesellschaften. Unter anderem betreffen die versicherten Risiken von den Tochtergesellschaften genutzte Grundstücke und Gebäude. Als Ergebnis ist das für die Versicherung gezahlte Versicherungsentgelt nach § 1 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 VersStG steuerbar, wenn es auf diese Risiken entfällt.
Gemäß dem BMF-Schreiben ist in den Fällen der Nr. 1 (unbewegliche Sachen) nicht entscheidend, in wessen Eigentum die versicherten unbeweglichen Sachen stehen.
2. Internationale Versicherungsprogramme mit Difference in Conditions/Difference in Loss
Für weltweit aufgestellte Konzerne mit zu versichernden Risiken rund um den Globus werden besondere Sachversicherungen im Rahmen von internationalen Versicherungsprogrammen angeboten. Bei diesen sind eine Vielzahl von nationalen Versicherungsvorschriften zu beachten. Darüber hinaus darf in vielen Ländern nur durch nationale Versicherungsunternehmen ein entsprechender Versicherungsschutz angeboten werden. Diese Lokalpolicen erfüllen örtliche und rechtliche Vorgaben sowie vor Ort geltende Versicherungsstandards. Zusätzlich zu diesen Lokalpolicen wird die sog. Master-Police beim Mutterunternehmen abgeschlossen. Das Ziel besteht in einer Harmonisierung des Deckungsumfangs für alle Risiken des gesamten Konzerns.
Dieser Master erweitert den Deckungsumfang der jeweiligen Lokalpolicen zum einen hinsichtlich der Versicherungsbedingungen, wenn bspw. die Lokalpolice für einen speziellen Fall keinen Versicherungsschutz bietet (Difference in Conditions, kurz: DIC), und zum anderen hinsichtlich der Versicherungssummen, wenn bspw. die Lokalpolice eine niedrigere Versicherungssumme für einen speziellen Fall ausweist (Difference in Loss, kurz: DIL). Da dieser Master somit Unterschiede hinsichtlich der Versicherungsstandards in anderen Ländern ausgleicht, wird dieser manchmal auch als Umbrella-Deckung bezeichnet. Durch ihn wird somit die Qualität als auch die Deckungssumme in alle Länder übertragen und sichergestellt, dass keine Deckungslücke entsteht. Dieses internationale Versicherungsprogramm wird im Regelfall über die Konzernmutter gesteuert.
Um eine risikoadäquate Bepreisung sicherzustellen, hat idR bei DIC/DIL-Versicherungen eine Aufteilung der Prämie auf den Master im Inland zu erfolgen. Bei einigen Versicherern erfolgt bspw. eine Aufteilung von 5 % auf den Master. Wegen der zuvor beschriebenen Grundsätze unterliegen diese DIC/DIL-Prämien für Risiken mit Bezug auf unbewegliche Sachen, insbesondere Bauwerke und Anlagen, und auf darin befindliche Sachen mit Ausnahme von gewerblichem Durchfuhrgut der deutschen Versicherungsteuer, wenn diese Risiken außerhalb des EWR liegen bei gleichzeitig deutschem Master-Versicherungsnehmer.
III. Mögliche Einordnung von Betriebsunterbrechungsversicherungen im Rahmen von DIC/DIL-Deckungen in den Sondertatbestand mit Bezug auf unbewegliche Sachen
Hierbei ist von besonderer Bedeutung, ob eine möglicherweise mit einer Sachversicherung abgeschlossene Betriebsunterbrechungsversicherung unter den Sondertatbestand der unbeweglichen Sache gemäß § 1 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 VersStG fällt. Dies ist entscheidend für die Risikobelegenheit und kann bei einer Einordnung als Sonderrisiko im Falle von Drittstaatensachverhalten zu einer Versicherungsteuerpflicht in Deutschland und zu einer möglichen Doppelbesteuerung führen, soweit im Drittland für dieses Risiko ebenfalls eine Versicherungsteuerpflicht besteht.
1. Übernahme der gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben in deutsches Recht
Der Begriff des „Gebäudes“ iSd Art. 13 Nr. 13 Solvency II-Richtlinie wurde bei Übernahme in § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 VersStG in den Begriff „unbewegliche Sache“ abgewandelt. Hierdurch ergibt sich eine Begriffsdivergenz, die sich aus der Gesetzesbegründung erklären lässt. Demnach sei der Begriff des „Gebäudes“ zu eng. Gemeint sei vielmehr der Begriff „unbewegliche Sache“ oder „Immobilie“.10
Medert/Voß weisen darauf hin, dass ein Blick in die übrigen (gleichwertigen) Sprachfassungen der Solvency II-Richtlinie erhellend sei.11 Hier werden durchgängig Risiken beschrieben, die sich auf ein Bauwerk beziehen und nicht nur das Bauwerk selbst. Beispielsweise wird in der englischen Sprachfassung die Formulierung „where the insurance relates to …“ verwendet. In der deutschen Gesetzesbegründung wird wiederum klargestellt, dass nicht nur die Versicherung der jeweiligen Sache selbst („von Gebäuden“), sondern jede Versicherung „mit Bezug auf unbewegliche Sachen“ von der Vorschrift erfasst sei.12 Damit seien insbesondere auch die gegen Eigentümer oder Bauherrn gerichteten Ansprüche abgedeckt. In der Gesetzesbegründung wird explizit das Beispiel der Gebäudehaftpflichtversicherung erwähnt. Medert/Voß folgern daraus, dass hierunter auch Versicherungen wie etwa Gebäudehalterhaftpflicht-, Bauleistungs- und Montageversicherungen sowie die hier gegenständliche Feuer-Betriebsunterbrechungsversicherung zu subsumieren seien.13 Diese Ausweitung auf die Feuer-Betriebsunterbrechungsversicherung geht mE zu weit, wie nachfolgend beschrieben wird.
2. Grundgedanke des BFH-Urteils zur Garantieversicherung
Im Streitfall des BFH-Urteils v. 11.12.201314 hatte eine Versicherungsnehmerin im Inland eine Chemieanlage in Norwegen errichtet und sich zur Übernahme einer Garantie für zwei Kalenderjahre ab Abnahme verpflichtet. Diese Garantie wurde durch eine Montage-KDS und eine Garantie-Versicherung abgesichert. Vorliegend wurde lediglich die Garantie-Versicherung betrachtet.
Der BFH war hierbei entgegen der ursprünglichen Auffassung des erstinstanzlichen Urteils15 der Ansicht, dass der Gegenstand der Garantieversicherung die in der Versicherungspolice genauer bezeichneten Risiken mit Bezug auf eine in Norwegen errichtete Industrieanlage sei. Seines Erachtens knüpfe die Entschädigungspflicht des Versicherers an solche Risiken an, die sich als Schaden am Belegenheitsort der Anlage niederschlagen.
Schmidt sieht dieses Urteil kritisch und der BFH habe es versäumt, zuallererst die Versicherungsart zu prüfen. Seines Erachtens hat eine Garantieversicherung höchstens einen mittelbaren Bezug zu einer unbeweglichen Sache.16 Dieser Sondertatbestand setze voraus, dass die Versicherung sich unmittelbar auf das Risiko der unbeweglichen Sache bezieht.17 Der nachfolgende Blick in das Gabler Versicherungslexikon hilft bei der laut Schmidt unterbliebenen Bestimmung der Versicherungsart einer Garantieversicherung.
Eine (Maschinen-)Garantieversicherung ist „eine Versicherung von Folgeschäden an Maschinen bzw. versicherten Sachen, die aus Anlass von Konstruktions-, Guss-, Material-, Berechnungs- oder Montagefehlern entstehen. Diese finanziert die Garantie des Herstellers oder Lieferanten, der zugleich der Versicherungsnehmer ist. […] Die Garantieversicherung ist eine Versicherungsart innerhalb der technischen Versicherung.“18
Technische Versicherungen gehören zur „Untergruppe der Sachversicherung, unter der Versicherungen zur Deckung technischer Risiken im wörtlichen Sinn eingeordnet werden. […] Dazu zählen die Versicherung betriebsbereiter technischer Anlagen gegen Sachschäden und/oder gegen Vermögensschäden, die Versicherung von Bauwerken oder sonstiger technischer Anlagen während der Errichtungsphase gegen Sachschäden, die Versicherung technischer Anlagen gegen Sachschäden aus Herstellungs- oder Ausführungsfehlern während der Garantiezeit und die Versicherung technischer Geräte im Haushalt.“19
Dem folgend kann zumindest bei der hier gegenständlichen Garantieversicherung durchaus von einem Risiko mit Bezug auf eine unbewegliche Sache (und auf darin befindliche Sachen) ausgegangen werden. Der zuvor genannten Kritik von Schmidt ist nur bedingt zuzustimmen.
3. Wesen und Zweck der Betriebsunterbrechungsversicherung
Anders verhält es sich allerdings bei einer Betriebsunterbrechungsversicherung. Diese unterscheidet sich von einer Garantieversicherung in Wesen und Zweck und ist nicht unter den Sondertatbestand der Risiken mit Bezug auf unbewegliche Sachen zu subsummieren.
Grundsätzlich sind Betriebsunterbrechungsversicherungen, die regelmäßig mit einer Sachversicherung abgeschlossen werden, keine Versicherungen von Sachen, sondern zählen als Versicherung von Vermögensschäden.20 Das FG Niedersachsen hat in einem Fall entschieden, dass eine Betriebsunterbrechungsversicherung für den zeitweisen Ausfall des Geschäftsführers das finanzielle Risiko der GmbH abdeckt und nicht den Gesellschafter selbst versichert, wenn diesem kein Bezugsrecht zusteht.21 Zwar hat der BFH die Entscheidung aufgehoben, jedoch nur aufgrund von Verfahrensfehlern.22
Gemäß Gabler Versicherungslexikon ist die Betriebsunterbrechungsversicherung eine „Sammelbezeichnung für diejenigen Versicherungsarten der Schadenversicherung, die Versicherungsschutz für den Ausgleich planwidrig entgehender Erträge infolge einer Unterbrechung oder Beeinträchtigung im leistungswirtschaftlichen Bereich des versicherten Betriebs gewähren. Die Betriebsunterbrechungsversicherung gehört demnach zur Gruppe der Ertragsausfallversicherungen. Das Objekt des Risikos ist der versicherte Betrieb. Das versicherte Interesse ist jedoch nicht auf den Substanzwert seiner Produktionsfaktoren, sondern auf deren Nutzungspotential bzw. Erlöskraft für den betrieblichen Leistungsprozess ausgerichtet. Unter der Bezeichnung Betriebsunterbrechungsversicherung ist eine Ansammlung vielfältiger spartenübergreifender Erscheinungsformen anzutreffen. […] Die Arten dieser Versicherung differenzieren hinsichtlich der versicherten Ereignisse, die den Tatbestand der Betriebsunterbrechung auslösen, sowie der Ausgestaltung des versicherten Unterbrechungsschadens, der sich über einen mehr oder minder langen Zeitraum erstreckt und dessen ersatzpflichtige Dauer durch die vereinbarte Haftzeit begrenzt wird.“23
Meines Erachtens bedarf es hier keiner Differenzierung der Betriebsunterbrechungsversicherung. Zwar bildet diese einen Oberbegriff für unterschiedliche Versicherungen wie bspw. Feuer-Betriebsunterbrechungsversicherung, Maschinen-Betriebsunterbrechungsversicherung, Montage-Betriebsunterbrechungsversicherung, Transport-Betriebsunterbrechungsversicherung usw. Versichert ist jedoch immer der Vermögensschaden, auch wenn dieser u.a. bei der Feuer-Betriebsunterbrechungsversicherung und der Maschinen-Betriebsunterbrechungsversicherung in der Regel durch einen sog. Sach-Folgeschaden entsteht. Die Sache muss dabei nicht notwendigerweise in ihrer Substanz verändert oder angegriffen werden, da bereits eine Verschmutzung oder Verseuchung genügen kann, um eine Beeinträchtigung des bestimmungsgemäßen Gebrauchs herbeizuführen; bspw. durch elektrische, mechanische, Strahlungs- sowie chemische Einwirkung.24 Neuere Betriebsunterbrechungsversicherungen bieten sogar Versicherungsschutz ohne vorausgehenden Sachschaden, wenn bspw. ein Unternehmen der Pharmabranche aufgrund regulatorischer Vorgaben zum Produktionsstopp gezwungen wird.
Nachfolgend wird explizit die Feuer-Betriebsunterbrechungsversicherung beleuchtet, da dieser die größte Relevanz zukommt.
Zur Feuer-Betriebsunterbrechungsversicherung wird im Gabler Versicherungslexikon entsprechend ausgeführt, dass hier ebenfalls das „Objekt des Risikos der versicherte Betrieb ist, der mit der dokumentierten Betriebstätigkeit und den deklarierten Betriebsstellen im Versicherungsschein abgrenzend bestimmt wird. […] Der versicherte Erlösausfall besteht aus dem entgangenen Betriebsgewinn und den fortlaufenden Kosten, die infolge der Betriebsunterbrechung nicht erwirtschaftet werden konnten. Unterbrechungsschäden, die dadurch entstehen, dass ein Sachschaden mit anschließender Betriebsunterbrechung an einer Stelle eine weitere Betriebsunterbrechung an anderer Stelle des versicherten Betriebs auslöst, sind regelmäßig ohne weitere Vereinbarungen mitversichert (Wechselwirkungsschaden).“25
Diese Ausführungen decken sich mit den Allgemeinen Feuer-Betriebsunterbrechungs-Versicherungs-Bedingungen (kurz: FBUB 2010) in der aktuellen Version v. 1.4.2014, die vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (kurz: GDV) als unverbindliche Bekanntgabe zur fakultativen Verwendung herausgegeben wurden. In § 1 wird ebenfalls der unterbrochene oder beeinträchtigte Betrieb des Versicherungsnehmers als Gegenstand der Deckung bezeichnet. Ebenso wird dort der Ertragsausfallschaden aus fortlaufenden Kosten und dem Betriebsgewinn in dem versicherten Betrieb, den der Versicherungsnehmer in dem Bewertungszeitraum ohne Unterbrechung des Betriebes erwirtschaftet hätte, definiert. Zur Ermittlung der Schadenshöhe muss für das Sachverständigenverfahren gemäß § 8 der FBUB 2010 zum einen eine Gewinn- und Verlustrechnung für das laufende Geschäftsjahr bis zum Beginn der Betriebsunterbrechung sowie jeweils eine Gewinn- und Verlustrechnung eingereicht werden, aus denen zu entnehmen ist, wie sich Betriebsgewinn und Kosten während des Unterbrechungszeitraums ohne Unterbrechung bzw. Beeinträchtigung entwickelt hätten (geschätzt) und tatsächlich entwickelt haben. Die einzureichenden Unterlagen sind ein klares Indiz gegen eine Versicherung mit Bezug auf eine unbewegliche Sache, deren Wert nicht ersetzt wird.
Gemäß Schmidt muss sich eine Versicherung unmittelbar auf den Sondertatbestand der unbeweglichen Sache beziehen.26 Ansonsten sei eine Subsumption bspw. unter § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 bzw. S. 2 Nr. 1 VersStG nicht möglich. Seines Erachtens bietet der Gesetzeswortlaut aus § 1 Abs. 3 Nr. 3 VersStG hierfür einen Anhaltspunkt, da dort explizit von einem unmittelbaren sowie einem mittelbaren Bezug ausgegangen wird. Ohne diese Unterteilung müsse immer von einem unmittelbaren Bezug ausgegangen werden. Ansonsten würde die Norm des Sondertatbestands jedwede Kontur verlieren und bspw. eine Hausratsversicherung oder eine Vermieterrechtsschutzversicherung ebenfalls unter den Sondertatbestand zu subsumieren sein, obwohl bei der Rechtsschutzversicherung das Kostenrisiko einer rechtlichen Auseinandersetzung abgedeckt ist.
Die FBUB 2010 lassen deutlich erkennen, dass das versicherte Risiko der Ertragsausfall eines unterbrochenen oder beeinträchtigten Betriebes ist und daher bezieht sich mE eine (Feuer-)Betriebsunterbrechungsversicherung nicht (unmittelbar) auf das Risiko einer unbeweglichen Sache, so dass der Sondertatbestand des § 1 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 VersStG hier nicht vorliegt.
4. Klassifizierung einer Betriebsunterbrechungsversicherung gemäß BMF-Schreiben v. 26.9.1990
Bei der Beurteilung der Steuerpflicht u.a. von Betriebsunterbrechungsversicherungen war gemäß BMF-Schreiben v. 26.9.1990 zu prüfen, welches Risiko gedeckt werden soll und in wessen Interesse der Vertrag abgeschlossen worden ist.27 Eine Betriebsunterbrechungsversicherung brauche demgemäß nicht nur zu dem Zweck abgeschlossen zu werden, um den Betrieb selbst gegen die mit einer Produktionsstörung verbundenen Schäden zu versichern; sie könne auch dazu dienen, die mittelbaren Schäden, zB bei einem Abnehmer, zu decken, die sich aus einer Produktionsstörung ergeben.
Zur besseren Verständlichkeit war in diesem Schreiben folgendes Beispiel enthalten: Eine Muttergesellschaft (Automobilhersteller) in der Bundesrepublik Deutschland schließt eine Betriebsunterbrechungsversicherung mit Bezug auf die in Frankreich ansässige Tochtergesellschaft (Zulieferbetrieb) ab, durch die das Risiko abgedeckt werden soll, dass infolge Betriebsunterbrechung beim Zulieferer ein Produktionsausfall bei der Muttergesellschaft eintritt. Hier deckt die Betriebsunterbrechungsversicherung das Risiko der Mutter. Der Vertrag ist im Interesse der Mutter abgeschlossen. Das Risiko ist damit in der Bundesrepublik Deutschland belegen.
Dieses Beispiel veranschaulicht, dass eine Betriebsunterbrechungsversicherung Risiken des Betriebes absichert, die sogar außerhalb des Betriebes selbst liegen können und keinen unmittelbaren Bezug zu unbeweglichen Sachen aufweisen.
Allerdings wurde dieses Schreiben aufgehoben und ersetzt. In dem nun gültigen BMF-Schreiben ist dieser Passus nicht mehr enthalten.28
IV. Fazit
Auch wenn der Gesetzgeber mit dem VersStRModG die Besteuerung über die Landesgrenzen hinweg stark ausgeweitet hat und eine mögliche Doppelbesteuerung in Drittstaaten in Kauf nimmt, kann nicht jede Versicherung automatisch zu einem der Sondertatbestände gezählt werden. Der Passus „Risiken mit Bezug auf …“ ist restriktiv auszulegen und ein unmittelbarer Bezug muss zwingend vorliegen. Eine (Feuer-)Betriebsunterbrechungsversicherung ist keine Versicherung von unbeweglichen Sachen, sondern zählt als Versicherung von Vermögensschäden.
Das obenstehende BFH-Urteil ist nur für Garantieversicherungen anzuwenden und nicht für Betriebsunterbrechungsversicherungen, da diese unterschiedliche Arten von Versicherungen darstellen und eine Übertragung des Sachverhalts somit nicht möglich ist.
Folglich unterliegen die DIC/DIL-Prämien für Ertragsausfallversicherungen wie einer (Feuer-)Betriebsunterbrechungsversicherung einer im Drittland mitversicherten Tochtergesellschaft nicht der deutschen Versicherungsteuer gemäß § 1 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 VersStG, auch wenn diese möglicherweise mit einer Sachversicherung abgeschlossen werden.
1 Vgl. Zweite Richtlinie 88/357/EWG des Rates v. 22.6.1988 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Direktversicherung (mit Ausnahme der Lebensversicherung) und zur Erleichterung der tatsächlichen Ausübung des freien Dienstleistungsverkehrs sowie zur Änderung der Richtlinie 73/239/EWG – sog. Zweite Schadenrichtlinie.
2 Vgl. Richtlinie 2009/138/EG des europäischen Parlaments und des Rates v. 25.11.2009 betreffend die Aufnahme und Ausübung der Versicherungs- und der Rückversicherungstätigkeit (Solvabilität II) – sog. Solvency II-Richtlinie.
3 Vgl. Medert/Axer/Voß, VersStG, 2. Aufl. 2020, § 1 Rn. 26.
4 Vgl. Schmidt, VersStG, 2. Aufl. 2021, § 1 Rn. 136.
5 Vgl. BGBl. 2020 I 2659.
6 Vgl. Faust DStR 2021, 2502.
7 Vgl. Schmidt (Fn. 4), § 1 Rn. 139 ff.
8 Vgl. ebenso BMF v. 4.3.2021 – III C 4 – S 6400/21/10001 :001, BStBl. I 2021, 325, BeckVerw 511390.
9 Vgl. BMF v. 7.9.2021 – III C 4 – S 6400/21/10002 :002, DOK 2021/0956779, BStBl. I 2021, 1813, IStR 2022, 106.
10 Vgl. BT-Drs. 11/7230, 22 zu § 110d VAG (aF; nun § 10 VAG) sowie 25 zu § 1 VersStG.
11 Vgl. Medert/Axer/Voß (Fn. 3), § 1 Rn. 279 f.
12 Vgl. BT-Drs. 11/7230, 22 zu § 110d VAG (aF; nun § 10 VAG) sowie 25 zu § 1 VersStG.
13 Vgl. Medert/Axer/Voß (Fn. 3), § 1 Rn. 281.
14 Vgl. BFH v. 11.12.2013 – II R 53/11, BStBl. II 2014, 352, DStRE 2014, 488.
15 Vgl. FG München v. 21.4.2010 – 4 K 2880/05, DStRE 2010, 1524.
16 Vgl. Schmidt (Fn. 4), § 1 Rn. 169.
17 Vgl. Schmidt (Fn. 4), § 1 Rn. 183.
18 Vgl. Gabler Versicherungslexikon, 2011, Stichwort: Maschinengarantieversicherung.
19 Vgl. Gabler Versicherungslexikon (Fn. 18), Stichwort: Technische Versicherungen.
20 Vgl. Grünwald/Dallmayr, VersStG/FeuerschStG, 2016, § 4 Rn. 99.
21 Vgl. FG Niedersachsen v. 14.2.2013 – 6 K 107/11, DStRE 2014, 214.
22 Vgl. BFH v. 11.3.2015 – I R 16/13, BFH/NV 2015, 1273, BeckRS 2015, 95239 sowie Schmidt (Fn. 4), § 4 Rn. 51.
23 Vgl. Gabler Versicherungslexikon (Fn. 18), Stichwort: Betriebsunterbrechungsversicherung.
24 Vgl. Morongowski/Reichard in Halm/Engelbrecht/Krahe, Handbuch des Fachanwalts Versicherungsrecht, 6. Aufl. 2018, Kap. 13 Rn. 35.
25 Vgl. Gabler Versicherungslexikon (Fn. 18), Stichwort: Feuer-Betriebsunterbrechungsversicherung.
26 Vgl. Schmidt (Fn. 4), § 1 Rn. 183 ff.
27 Vgl. BMF v. 26.9.1990 – IV A 4 – S 6356 – 16/90, BStBl. I 1990, 645, BeckVerw 096140.
28 Vgl. BMF v. 4.3.2021 – III C 4 – S 6400/21/10001 :001, BStBl. I 2021, 325, BeckVerw 511390.
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Verfasser: Manuel Faust ist als (Syndikus-)Steuerberater bei der Zurich Gruppe Deutschland in Frankfurt a.M. tätig. Dieser Artikel ist nicht in beruflicher Eigenschaft verfasst und stellt die persönliche Rechtsmeinung dar.