Der Erfüllungsschadenausschluss in der Haftpflichtversicherung

Der Erfüllungsschadenausschluss in der Haftpflichtversicherung

I. Einführung

Fordert der Vertragspartner den VersNehmer auf, seine vertraglich geschuldete Leistung zu erbringen, verlangt er keinen Schadenersatz1, so dass Schutz aus der Haftpflichtvers. nicht in Betracht kommt. Sofern der VersNehmer seine vertragliche Leistungspflicht nicht oder mangelhaft erfüllt hat, stellt dies im Übrigen auch keinen Sachschaden – etwa an der gelieferten Sache – und auch kein Schadenereignis i.S. des § 1 Nr. 1 der „alten” AHB2 bzw. i.S. der Ziff. 1.1 AHB 2004 dar3. Das ist unstreitig. Umstritten ist häufig die haftpflichtversrechtliche Behandlung von Folgeschäden, insbes. von Nutzungsausfall- und Betriebsunterbrechungsschäden. Dabei ist eines klar: Soweit Betriebsunterbrechungsschäden aus Sachschäden folgen, für die der VersNehmer verantwortlich gemacht wird, handelt es sich um unechte Vermögensschäden, die gem. § 1 Nr. 1 AHB (Ziff. 1.1 AHB 2004) zum Deckungsumfang der Haftpflichtvers. gehören und für welche die gesamte Sachschadendeckungssumme zur Verfügung steht. § 1 Nr. 1 AHB (Ziff. 1.1 AHB 2004) verlangt nicht, dass der Dritte selbst Eigentümer der Sachen ist, er muss nur wegen Beschädigung von Sachen Schadenersatzansprüche geltend machen. Die beschädigten Sachen können auch dem VersNehmer selbst gehören4. Dies entspricht einhelliger Auffassung in Lit. und Rspr.5. Sie gründet darauf, dass das Eigentum deckungsrechtlich weder nach § 149 VVG noch nach § 1 Nr. 1 AHB (Ziff. 1.1 AHB 2004) eine Rolle spielt, sondern dass es lediglich auf die Erhebung von Schadenersatzansprüchen aus einem Sachschaden ankommt6. In den meisten Fällen sind Ansprüche Dritter wegen Beschädigung von Sachen, deren Eigentümer der VersNehmer ist, auf Nutzungsausfall gerichtet. Dann stellt sich die Frage, ob der Erfüllungsschadenausschluss eingreift7; dem wird im Folgenden nachgegangen.

Die Fassung des Erfüllungsschadenausschlusses variiert:

In der vor 2002 gebräuchlichen Fassung des § 4 I Nr. 6 letzter Abs. AHB heißt es, dass die Erfüllung von Verträgen und die an die Stelle der Erfüllungsleistung tretende Ersatzleistung nicht Gegenstand der Haftpflichtvers. ist.

In den AHB 2002 erhielt die Regelung folgende Fassung: Kein VersSchutz besteht für Ansprüche

-auf Erfüllung von Verträgen, Nacherfüllung, aus Selbstvornahme, Rücktritt, Minderung, auf Schadenersatz statt der Leistung;

-wegen Schäden, die verursacht werden, um die Nachbesserung durchführen zu können;

-wegen des Ausfalls der Nutzung des Vertragsgegenstandes oder wegen

-des Ausbleibens des mit der Vertragsleistung geschuldeten Erfolges;

-auf Ersatz vergeblicher Aufwendungen im Vertrauen auf ordnungsgemäße Vertragserfüllung;

-auf Ersatz von Vermögensschäden wegen Verzögerung der Leistung;

-wegen anderer an die Stelle der Erfüllung tretender Ersatzleistungen.

In den AHB 2004 ist die in den AHB 2002 eingeführte Fassung lediglich in einem Punkt geändert worden: Statt von Nacherfüllung ist von Nachbesserung die Rede.

II. Rechtscharakter der Regelung über Erfüllungsschäden

Ansprüche auf Vertragserfüllung und auf Gewährleistung sind vom Schutz der Haftpflichtvers. nicht umfasst. Das ergibt sich aus § 1 Nr. 1 AHB sowie aus Ziff. 1.1 AHB 2004, wonach nur Schadenersatzansprüche gedeckt sind. Auch § 4 I Nr. 6 letzter Absatz AHB sowie Ziff. 1.2 AHB 2004 bringt dies zum Ausdruck8; die Regelung ist insoweit deklaratorisch. Bis dahin besteht in Rspr. und Schrifttum kein Streit. Soweit der Erfüllungsschadenausschluss allerdings auch vertragliche Schadenersatzansprüche umfasst, besitzt die Regelung konstitutiven Charakter9. Das ergibt sich schlicht daraus, dass es sich hierbei um Ansprüche handelt, die auf Schadenersatz gerichtet sind. Dem könnte entgegengehalten werden, es handele sich (weiterhin) um Ansprüche wegen reiner Vermögensschäden, die auf Basis der AHB nicht gedeckt seien (vgl. § 1 Nr. 1 u. 3 AHB, Ziff. 2 AHB 2004). Dieser Einwand ist nicht stichhaltig: Es ist zwar richtig, dass die Deckung reiner Vermögensschäden gesonderter Vereinbarung bedarf, jedoch ist in der einen oder anderen Form in fast jeder Haftpflichtvers. – von der Privat- über die Betriebs-, Produkt- und Umwelthaftpflichtvers. bis hin zu Berufshaftpflichtvers. – heutzutage ein Einschluss für reine Vermögensschäden enthalten.

Auch die AHB 2004 bewirken keine Änderung des Befundes: Aus dem Wortlaut der Ziff. 1.1 AHB 2004 entnimmt der VersNehmer, dass gesetzliche Schadenersatzansprüche gedeckt sind; er vermag der Formulierung nicht zu entnehmen, dass bestimmte – das Vertragserfüllungsinteresse betreffende – Schadenersatzansprüche nicht gedeckt sein sollen. Das bringt erst Ziff. 1.2 AHB 2004 zum Ausdruck; insoweit handelt es sich um einen Ausschlusstatbestand. Dies kann im Einzelfall von erheblicher Bedeutung sein, wenn es um die Frage der Reichweite des Ausschlusses geht; insbes. ist bei der Auslegung der vom BGH entwickelte Grundsatz enger Interpretation von Risikoausschlüssen10 zu beachten. Gerade wenn – wie in Ziff. 1.1 und 1.2 AHB 2004 – positive Risikobeschreibung und Risikoausschlüsse miteinander verknüpft werden, ist in besonderem Maße darauf zu achten, dass der durchschnittliche VersNehmer nicht damit zu rechnen braucht, dass sein VersSchutz Lücken hat, ohne dass ihm diese hinreichend verdeutlicht werden11.

Festzuhalten bleibt: Soweit sich die Regelung auch auf vertragliche Schadenersatzansprüche bezieht, besitzt die Regelung über Erfüllungsschäden nicht nur deklaratorische Bedeutung, sondern den Charakter eines echten Ausschlusses.

III. Die Reichweite des Erfüllungsschadenausschlusses nach herrschender Meinung

1. Mangelbeseitigungs- und Mangelbeseitigungsnebenkosten

Grob umrissen besagt § 4 I Nr. 6 letzter Abs. AHB (ebenso Ziff. 1.2 AHB 2004) Folgendes: Soweit der VersNehmer etwa als Verkäufer einer mangelhaften Sache – aus §§ 433 I 2, 434, 437 BGB – dem Käufer zur Nacherfüllung (Mangelbeseitigung oder Lieferung einer mangelfreien Sache, vgl. § 439 BGB), zur Rückerstattung des Kaufpreises nach Rücktritt vom Vertrag oder zur Minderung des Kaufpreises verpflichtet ist, kann er keine Deckung von seinem Haftpflichtversicherer erwarten. Das gleiche gilt, wenn der Vermieter einer Wohnung von seinem Mieter auf Mietminderung oder Aufwendungsersatz wegen Sach- oder Rechtsmängeln der Mietsache gem. §§ 536, 536a II BGB in Anspruch genommen wird. Auch der Werkunternehmer besitzt keinen VersSchutz, wenn sein Auftraggeber von ihm Nacherfüllung, Aufwendungsersatz bei Selbstvornahme der Mangelbeseitigung, Minderung der Vergütung gem. §§ 633, 634 Nrn. 1-3, 635, 637 BGB verlangt. Finanzielle Aufwendungen, die darauf gerichtet sind, einen vertragsgemäßen Zustand herzustellen, sind von der Leistungspflicht des Haftpflichtversicherers ausgenommen12. Gleiches gilt für den VersNehmer, der eine Dienstleistung erbringt. § 4 I Nr. 6 letzter Abs. 1. Spiegelstrich AHB 2002 sowie Ziff. 1.2 (1) AHB 2004 bringen dies klar zum Ausdruck. In älteren AHB ist lediglich ausgeführt, dass die Erfüllung von Verträgen nicht Gegenstand der Haftpflichtvers. ist. Der durchschnittliche VersNehmer, dessen Verständnis bei der Auslegung von AVB heranzuziehen ist, kann auch bei den älteren AHB aus der gewählten Formulierung entnehmen, dass die oben genannten, eindeutig auf Vertragserfüllung gerichteten Ansprüche nicht gedeckt sind.

Für das Werkvertragsrecht ist wichtig, dass auch sog. Mangelbeseitigungsnebenkosten vom VersSchutz ausgenommen sind13; hat der VersNehmer z.B. den Auftrag, in Nasszellen Feuchtigkeitsisolation einzubauen, schlecht erfüllt und müssen nun die bereits verlegten Fliesen wieder abgeschlagen, die Isolationsarbeiten dem Stand der Technik entsprechend nachgebessert und anschließend die Fliesen wieder verlegt werden, besteht weder für die Nachbesserung der Isolation noch für die Begleitkosten (Abschlagen und Neuverlegen der Fliesen) VersSchutz14. Zum Zweck der Nachbesserung durchgeführte Maßnahmen fallen in vollem Umfang unter den Erfüllungsschadenausschluss15; alle Aufwendungen, die erforderlich sind, um die mangelhafte (Bau-) Leistung mangelfrei zu machen, sind vom Mangelbeseitigungsanspruch des Gläubigers umfasst und nicht versichert16. Auch dies bringen die AHB 2002 in § 4 I Nr. 6 letzter Abs. 2. Spiegelstrich (vgl. auch Ziff. 1.2 (2) AHB 2004) deutlich zum Ausdruck. Auch bei Geltung älterer AHB, die bei § 4 I Nr. 6 letzter Absatz eine weniger detaillierte Regelung enthalten, kann der durchschnittliche VersNehmer aus dem Wortlaut entnehmen, dass Ansprüche wegen aller Maßnahmen, die für eine (ordentliche) Vertragserfüllung notwendig sind – also bis hin zur Nachbesserung, Nachlieferung usw. -, nicht gedeckt sind. Insoweit ist die Reichweite des Ausschlusses in Rspr. und Lehre auch unstreitig17.

Nicht vom Ausschluss erfasst sind dagegen – auch das ist unstreitig – Folgeschäden aus mangelhafter Vertragserfüllung, die sich an anderen Rechtsgütern realisieren (sog. Mangelfolgeschäden)18. Es muss sich dabei – so die h.M. in Lit. und Rspr. – um Schäden handeln, die nicht das Interesse des Auftraggebers an mangelfreier Vertragserfüllung ansprechen (das Äquivalenzinteresse), sondern das Integritätsinteresse19.

2. Erfüllungssurrogate

Eine nach § 4 I Nr. 6 letzter Abs. AHB ausgeschlossene an die Stelle der Erfüllung(sleistung) tretende Ersatzleistung liegt nach ganz h.M. in Lit. und Rspr. vor, wenn der Schadenersatz das unmittelbare Interesse des Gläubigers am eigentlichen Leistungsgegenstand befriedigen soll, so dass (nur) solche Ansprüche von der Deckung ausgenommen sind, die den Gläubiger in den Genuss der ordnungsmäßigen Leistung bringen oder deren Ausbleiben kompensieren sollen20. Besteht der Schaden z.B. bei einer gelieferten Anlage allein im Aufwand, der erforderlich ist, um die Anlage so zu verändern, dass sie den vertraglich geschuldeten Anforderungen gerecht wird, besteht hierfür kein VersSchutz, da allein das Erfüllungsinteresse betroffen ist21. Dazu kann auch der Anspruch auf Schadenersatz wegen Nichterfüllung als Erfüllungssurrogat gehören, sofern er den Schaden am Leistungsgegenstand selbst betrifft22. Schuldet der VersNehmer etwa den fachgerechten Einbau von Spanplatten als Unterkonstruktion eines darauf zu verlegenden Holzfußbodens und ist die Werkleistung mangelhaft, so dass nachgebessert werden muss, ist der Schaden am Leistungsgegenstand eingetreten23.

3. Nutzungsausfall

Nach h.M. ist auch der Nutzungsausfall als Erfüllungssurrogat vom VersSchutz ausgeschlossen24. Das soll auch dann gelten, wenn Gewinn entgeht oder sich sonstige Schäden einstellen, weil etwa eine Nutzung während der Zeit, in der erforderliche Arbeiten zur Beseitigung von Mängeln durchgeführt werden, nicht oder nur eingeschränkt möglich ist25. Werden infolge der vom VersNehmer geschuldeten Mangelbeseitigung vorübergehende Betriebsschließungen von Anliegern (wegen notwendiger Neuverlegung von Gehwegsplatten) unausweichlich, soll allein das Erfüllungsinteresse des Vertragspartners oder weiterer Dritter an der vom VersNehmer vertraglich geschuldeten ordnungsgemäßen Leistung (hier: Herstellung der Zuwege) betroffen sein. Es gehe letztlich nur darum, den Geschädigten so zu stellen, als sei ihm gegenüber von Anfang an ordnungsgemäß erfüllt worden. Es gehe gerade nicht um Schäden, die an anderen Rechtsgütern entstanden sind26.

Die h.M. in Rspr. und Lit. zählt zum ungedeckten Bereich auch Ansprüche wegen zusätzlichen Personalaufwands oder höheren Aufwands an anderen Mitteln infolge Gebrauchsuntauglichkeit einer Sache27.

4. Ansprüche wegen (Nicht-)Erfüllung vertraglicher Nebenpflichten

Der BGH vertritt in st. Rspr. die Auffassung, ein (ausgeschlossener) Erfüllungsschaden liege nur dann vor, wenn die vom VersNehmer erbrachte Leistung die vertraglich vereinbarte Beschaffenheit oder Eigenschaft nicht erreicht. Die Verletzung vertraglicher Nebenpflichten falle nicht darunter28. Es wird hier zwischen Erfüllungs- und Schutzpflichten unterschieden; verletzt der VersNehmer Schutzpflichten bezüglich fremder Interessen und wird er deswegen auf Schadenersatz in Anspruch genommen, kommt es für die Anwendbarkeit des Erfüllungsschadensausschlusses darauf an, ob die Erfüllung dieser Pflichten geschuldet war, ob sich die vertragliche Hauptleistungspflicht darauf bezog29. Entscheidend ist also, ob der Vertragspartner des VersNehmers sein unmittelbares Interesse am eigentlichen Leistungsgegenstand geltend macht, wobei dieses Interesse durch den Inhalt der vertraglich geschuldeten Leistung bestimmt wird30. Dem wird im Folgenden nachzugehen sein. Das OLG Hamm hat zum Erfüllungsschadenausschluss sehr anschaulich ausgeführt, durch diese Klausel solle verhindert werden, dass sich der VersNehmer die Kosten seiner Erfüllungshandlung vom Versicherer bezahlen lasse31. Das kann der durchschnittliche VersNehmer in der Tat den üblichen Formulierungen des Erfüllungsschadenausschlusses entnehmen32; insoweit ist der für den VersNehmer erkennbare Sinn und Zweck der Klausel zu berücksichtigen.

Geht es im Einzelfall also allenfalls um die Verletzung vertraglicher Nebenpflichten oder von Verkehrssicherungspflichten, so sind diese nicht von § 4 I Nr. 6 letzter Abs. AHB (Ziff. 1.2 AHB 2004) umfasst33.

Zwischenresümee: Sofern die Verletzung vertraglicher Hauptpflichten zur Debatte steht, ist § 4 I Nr. 6 letzter Abs. AHB (Ziff. 1.2 AHB 2004) grundsätzlich anwendbar. Nach einer verbreiteten Rechtsansicht sind von dem Ausschluss auch Ansprüche wegen entgangener Nutzungen umfasst34. Diese Position wird in den weiteren Ausführungen näher beleuchtet.

IV. Zur Problematik von Nutzungsausfallschäden

In der Praxis geht es nicht selten bei Schadenersatzansprüchen gegen den VersNehmer, dem eine nicht gehörige Erfüllung vertraglicher Pflichten zu Last gelegt wird, um Ansprüche wegen Nutzungsausfalls. Wie oben dargestellt, geht die h.M. in Lit. und Rspr. davon aus, dass der Erfüllungsschadenausschluss auch Ansprüche auf Ersatz des Nutzungsausfallschadens umfasse35. Dagegen sprechen gewichtige rechtliche Gesichtspunkte:

1. Die Argumente Littbarskis

Littbarski vertritt die Auffassung, dass unter der an die Stelle der Erfüllungsleistung tretenden Ersatzleistung nur der Wert der versprochenen und damit vertraglich geschuldeten Leistung zu verstehen sei. Dazu gehörten auch alle Mehraufwendungen, die erforderlich werden, um eine der versprochenen und damit vertraglich geschuldeten Leistung entsprechende Leistung zu erhalten. Ansprüche, die über diesen Wert hinausgehen, haben – so Littbarski – dagegen nichts mit der an die Stelle der Erfüllungsleistung tretenden Ersatzleistung zu tun36. Deshalb sei der entgangene Gewinn bzw. Nutzungsausfall keine an die Stelle der Erfüllungsleistung tretende Ersatzleistung37.

2. Berücksichtigung der neueren Rechtsprechung des BGH zur Auslegung von AVB

Der oben dargelegte Ansatz Littbarskis hat sich nicht durchgesetzt, insbes. hat der BGH in seinem Mitte der 80er Jahre getroffenen Bohrinsel-Urteil die Argumente gewürdigt, aber nicht übernommen38. Auch in der Lit. hat er wenig Gefolgschaft gefunden39. In seiner Auseinandersetzung mit Littbarski argumentiert der BGH sehr stark juristisch und unter Rekurs auf seine ältere Rspr. Noch nicht berücksichtigt sind die Auslegungsregeln für AVB, welche der BGH seit Ende der 80er Jahre entwickelt hat40. Für die Auslegung von AVB ist maßgebend, wie ein durchschnittlicher VersNehmer bei aufmerksamer Durchsicht und verständiger Würdigung die jeweils gewählte (Wort-)Fassung der AVB unter Berücksichtigung ihres dabei erkennbar werdenden Sinnzusammenhangs verstehen muss41. Diese Rspr.-Grundsätze über die Auslegung von AVB gelten nur dann nicht, wenn die Rechtssprache mit einem in AVB verwendeten Ausdruck einen fest umrissenen Begriff verbindet; dann ist im Zweifel anzunehmen, dass auch die AVB nichts anderes darunter verstehen42. Der in den AVB verwendete Begriff des an die Stelle der Erfüllung(sleistung) tretenden Ersatzleistung ist kein feststehender Rechtsbegriff. In Lit. und Rspr. wird einhellig die Auffassung vertreten, dass dieser Begriff nicht identisch mit dem zivilrechtlichen Terminus Schadenersatz wegen Nichterfüllung sei, sondern dass es sich vielmehr um eine eigenständige versrechtliche Rechtsfigur sui generis handele43. Es bleibt also dabei, dass für die Auslegung des § 4 I Nr. 6 letzter Abs. AHB (Ziff. 1.2 AHB 2004) die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen VersNehmers maßgebend sind. Legt man die Kernaussagen der neueren Rspr. zur Auslegung von AVB zu Grunde, ergibt sich folgendes Bild:

a)Nach den heute allgemein anerkannten Grundsätzen über die Auslegung ist darauf abzustellen, welche Bedeutung die von den Versicherern verwendeten Ausdrücke im gewöhnlichen Sprachgebrauch haben, also wie sie ein durchschnittlicher, verständiger, aber juristisch und verstechnisch nicht vorgebildeter VersNehmer verstehen würde44. In der Alltagssprache wird der Terminus an die Stelle der Erfüllung(sleistung) tretende Ersatzleistung nicht verwendet, es gibt keine „Bedeutung im allgemeinen Sprachgebrauch”.

b)Einem vom Versicherer verfolgten Regelungszweck kommt nur dann Bedeutung bei der Auslegung zu, wenn er in den verwendeten Formulierungen erkennbar wird45. In der Tat wird der VersNehmer, wenn er liest „Die Erfüllung von Verträgen und die an die Stelle der Erfüllung(sleistung) tretende Ersatzleistung ist nicht Gegenstand der Haftpflichtvers….”, erkennen, dass durch diese Klausel verhindert werden soll, dass sich der VersNehmer die Kosten seiner Erfüllungshandlung vom Versicherer bezahlen lässt46. Er vermag aber allenfalls eine solch pauschale Feststellung zu treffen; wie weit der Ausschluss reicht, wird aus dem Wortlaut nicht erkennbar. Wenn die Verfasser der AHB bezweckt haben sollten, auch Ansprüche wegen Nutzungsausfalls von der Deckung auszunehmen, geht dies jedenfalls aus dem Wortlaut nicht hervor.

c)Die Entstehungsgeschichte und systematische Gesichtspunkte haben bei der Auslegung von AVB außer Betracht zu bleiben47. Bei der Entstehung des § 4 I Nr. 6 letzter Abs. AHB (wie auch bei Ziff. 1.2 AHB 2004) mag bei den Verfassern der Gedanke Pate gestanden haben, dass der Ausgleich des Leistungsinteresses nicht Gegenstand der Haftpflichtvers. sei48. Hinweise über Vorstellungen, dass Nutzungsausfall vom Ausschluss erfasst sein soll, sind auch der älteren Lit. nicht zu entnehmen; eher ist festzustellen, dass die Reichweite des Ausschlusses bereits frühzeitig umstritten war: So weist Schlegelmilch darauf hin, nach seiner Überzeugung sei ein (ausgeschlossenes) Leistungssurrogat nur der Anspruch auf Ersatz des eigentlichen Leistungsinteresses; es gab schon vor fast einem halben Jahrhundert dazu unterschiedliche Auffassungen49. Selbst wenn der Entstehungsgeschichte mehr zu entnehmen wäre: Sie spielte für die Auslegung keine Rolle. Aus der Systematik sind keine Hinweise für das Verständnis des Erfüllungsschadenausschlusses zu entnehmen.

d)Zu Risikoausschlussklauseln sagt der BGH ausdrücklich, sie seien eng und nicht weiter auszulegen als es ihr Sinn unter Beachtung ihres wirtschaftlichen Zwecks und der gewählten Ausdrucksweise erfordert50. Wenn es bei der Auslegung von AVB auf die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen VersNehmers ankommt, dann sind – so der BGH – auch die Interessen des VersNehmers zu berücksichtigen. Bei Risikoausschlüssen geht das Interesse i.d.R. dahin, dass der VersSchutz nicht weiter verkürzt wird, als der erkennbare Zweck des Ausschlusses es gebietet. Der VersNehmer braucht nicht damit zu rechnen, dass er Lücken im VersSchutz hat, ohne dass dies ihm ausreichend verdeutlicht wird51. Wie oben52 ausgeführt, handelt es sich zumindest bezüglich vertraglicher Schadenersatzansprüche um einen echten Ausschluss. Aus dem Wortlaut kann der VersNehmer erkennen, dass der wirtschaftliche Zweck der Regelung darin besteht, dass der Versicherer nicht diejenigen Kosten übernehmen soll, die dem VersNehmer bei der Vertragserfüllung entstehen. Das Postulat enger Auslegung zwingt zu einer Konzentration auf das eigentliche Leistungsinteresse, wie schon Schlegelmilch herausgearbeitet hat53: Ausgeschlossen sind die Kosten des Verschaffens einer sachmangelfreien Kaufsache, des Beseitigens von Mängeln eines Werkes, der Erbringung einer ordnungsgemäßen Dienstleistung. Eine erweiternde Auslegung kommt nicht in Betracht, Ansprüche wegen entgangener Nutzungen sind nicht ausgeschlossen.

Der BGH hat in Bezug auf die Auslegung des Tätigkeitsschadenausschlusses (§ 4 I Nr. 6b AHB) im Gabelstapler-Urteil in gleicher Weise entschieden: Zuvor war es jahrelang umstritten gewesen, ob § 4 I Nr. 6b AHB nur den Schaden an der bearbeiteten Sache selbst von der Deckung ausnimmt oder darüber hinaus auch den aus dem Schaden resultierenden Nutzungsausfall. Der BGH hat Letzteres verneint, da der Wortlaut dies nicht hergebe54. Diese Entscheidung ist in der Lit. zum Teil heftig kritisiert worden mit dem Tenor, wenn der Versicherer den Schaden an der bearbeiteten Sache ausschließe, dann wolle er erst recht den daraus resultierenden Nutzungsausfall aus der Deckung herausnehmen55. Der BGH hat seine Auffassung im Jahr 1999 jedoch bekräftigt, dass der Wortlaut der AVB-Regelung nichts über Nutzungsentgang besage und dieser deshalb vom Ausschluss nicht umfasst sei. Das Gericht weist ausdrücklich darauf hin, dass die an dieser Position in der Lit. geäußerte Kritik nicht den heute für AVB geltenden Auslegungsregeln Rechnung trage56. Die Versicherer haben daraufhin mit einer Neufassung der AHB reagiert: Seit Mai 2000 enthalten die vom GDV empfohlenen Musterbedingungen eine Erweiterung des Tätigkeitsschadenausschlusses auf alle Vermögensschäden, die sich aus Schäden an fremden Sachen ergeben. Bezeichnenderweise enthalten die Musterbedingungen, die der GDV seit Juni 2002 herausgibt, auch eine Erweiterung des Erfüllungsschadenausschlusses: Der Nutzungsausfall wird erstmals ausdrücklich in § 4 I Nr. 6 letzter Abs. AHB 2002 erwähnt. Die Versicherer haben die im Jahre 2002 vollzogene Überarbeitung der AHB und insbes. des § 4 I Nr. 6 letzter Abs. AHB mit der Notwendigkeit begründet, die Neuerungen, die durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz (SchuMoG) in unser Recht Eingang fanden, berücksichtigen zu müssen; inhaltlich solle sich an § 4 I Nr. 6 letzter Abs. AHB nichts ändern. In der Tat ist die Diktion des SchuMoG in der Neufassung der AHB nunmehr wiederzufinden, wenn in § 4 I Nr. 6 letzter Abs. AHB 2002 von Nacherfüllung usw. die Rede ist. Das SchuMoG hat indes keinen Anlass geboten, den Nutzungsentgang anzusprechen. Vielmehr liegt die Vermutung nahe, dass die Versicherer im Zuge der Überarbeitung der AHB die Rspr. zu § 4 I Nr. 6b AHB vor Augen hatten und deshalb den Nutzungsentgang als vom Erfüllungsschaden ausdrücklich umfasst regelten. Für die Praxis ergeben sich Folgerungen vor allem für Sachverhalte, für welche die AHB in der bis 2002 üblichen Fassung gelten, in welcher der Nutzungsentgang in § 4 I Nr. 6 letzter Abs. AHB nicht erwähnt ist. Die letzten Entscheidungen des BGH zu der Frage, ob Nutzungsentgang vom Erfüllungsschadenausschluss umfasst ist, datieren aus der Zeit Mitte der 80er Jahre. Die Änderung der Rspr. zur Auslegung von AVB wurde gegen Ende der 80er Jahre vollzogen. Es steht zu erwarten, dass der BGH bei einer erneuten Befassung mit dem Erfüllungsschadenausschluss seinen heutigen Auslegungsmethoden Rechnung zollt. Eine enge, am Wortlaut orientierte Auslegung ergibt, dass entgangene Nutzungen durch § 4 I Nr. 6 letzter Abs. AHB in der bis zur Neufassung der AHB im Juni 2002 verwendeten Fassung nicht ausgeschlossen sind.

V. Der Ausschluss des Erfüllungssurrogats im Licht des AGB-Rechts

Die im Folgenden durchgeführte AGB-rechtliche Überprüfung des Erfüllungsschadenausschlusses ist auf die Frage nach der Transparenz konzentriert. Eine unangemessene Benachteiligung i.S. des § 307 II Nr. 1 BGB kommt nicht in Betracht, weil keine Abweichung vom Grundgedanken der gesetzlichen Regelung vorliegt; § 149 VVG erlaubt dem Versicherer die inhaltliche Ausgestaltung des Deckungsumfangs. Ebenso wenig ist eine Gefährdung des Vertragszwecks i.S. des § 307 II Nr. 2 BGB anzunehmen: Die Regelung des § 4 I Nr. 6 letzter Abs. AHB (Ziff. 1.2 AHB 2004) führt nicht zu einer Sinnentleerung des Vertrags; der mit der Haftpflichtvers. angestrebte vertragliche Erfolg wird nicht ganz oder zum überwiegenden Teil in Frage gestellt57, das Leistungsversprechen des Versicherers verliert nicht jeden sachlichen Gehalt58, wenn die Eintrittspflicht des Versicherers für Erfüllungsschäden ausgeschlossen wird; das gilt selbst dann, wenn man von der schlechtest möglichen Auslegung ausgeht und auch den Nutzungsausfallschaden als von der Deckung ausgenommen ansieht.

Das Transparenzgebot ist seit 2002 in § 307 I 2 BGB ausdrücklich angesprochen; dass es für AGB und damit für AVB gilt, ist in Rspr. und Lit. unumstritten. Es wurde vor der Integration des AGBG in das BGB insbes. in § 3 AGBG (heute § 305c I BGB), § 5 AGBG (heute § 305c II BGB) und § 9 I BGB (heute § 307 I 2 BGB) verankert gesehen59. Das Transparenzgebot greift auch dann ein, wenn man – mit einem Teil der Lit. – annimmt, § 4 I Nr. 6 letzter Abs. AHB (Ziff. 1.2 AHB 2004) sei im Ganzen eine deklaratorische Regelung60, denn zumindest handelt es sich um eine ergänzungsbedürftige Klausel61.

a) § 305c I BGB ist nur dann einschlägig, wenn eine Klausel objektiv und subjektiv überraschend ist, wenn sie aus Sicht der Verkehrskreise nach den Gesamtumständen ungewöhnlich ist und der VersNehmer von ihr überrumpelt wird62. Ungewöhnlich ist eine Allgemeine Geschäftsbedingung, wenn die betroffenen Verkehrskreise typischerweise oder auf Grund des Marktverhaltens des Versicherers von dem Klauselinhalt abweichende Erwartungen mit dem Produkt verknüpfen. Das ist insbes. dann gegeben, wenn der Versicherer eine Klausel verwendet, die erheblich von den üblichen Bedingungen abweicht63. Der Erfüllungsschadenausschluss wird bereits seit Jahrzehnten verwendet. Es fehlt also an der objektiven Ungewöhnlichkeit der Regelung, so dass schon deshalb davon auszugehen ist, dass eine überraschende Klausel i.S. des § 305c I BGB nicht angenommen werden kann. Auf die Frage, ob der VersNehmer selbst überrascht wird (subjektives Überraschungselement)64, kommt es daher im vorliegenden Fall nicht an.

b) Die Unklarheitenregelung des § 305c II BGB ist nicht schon dann anzuwenden, wenn Streit über die Auslegung besteht. Voraussetzung ist vielmehr, dass nach Ausschöpfung der in Betracht kommenden Auslegungsmethoden ein nicht behebbarer Auslegungszweifel bleibt und mindestens zwei Auslegungsmöglichkeiten rechtlich vertretbar sind65. Wenn man – wie hier – § 4 I Nr. 6 letzter Abs. AHB (Ziff. 1.2 AHB 2004) jedenfalls in Bezug auf vertragliche Schadenersatzansprüche als konstitutive Ausschlussregelung ansieht, gelangt man auf der Basis der heutigen AVB-Interpretationsregeln des BGH, die eine enge Auslegung von Risikoausschlüssen verlangen, zu dem eindeutigen Ergebnis, dass Ansprüche wegen Nutzungsausfallschäden nicht vom Ausschluss umfasst sind. In der Lit. ist allerdings die Auffassung verbreitet, der Erfüllungsschadenausschluss sei eine rein deklaratorische Regelung66. Die Anhänger dieser Lösung sind nicht gehalten, die Regeln über enge Auslegung von Risikoausschlüssen bei der Interpretation von § 1 Nr. 1 und § 4 I Nr. 6 letzter Abs. AHB (Ziff. 1.1, 1.2 AHB 2004) zu beachten. Sie können allein auf den Wortlaut der Vorschriften abstellen. Nach dem Wortlaut ist es vertretbar anzunehmen, es sei nur der Wert der vertraglich versprochenen Leistung ausgeschlossen; es ist vom Wortlaut her auch gedeckt anzunehmen, dass darüber hinaus auch Nutzungsausfall vom VersSchutz ausgenommen sei. In diesem Fall weist nun § 305c II BGB dem Versicherer den Auslegungsnachteil zu: Es ist der engen Auslegung – kein Ausschluss des Nutzungsausfallschäden auf Grund von § 1 Nr. 1, 4 I Nr. 6 letzter Abs. AHB – der Vorzug zu geben.

c) Ein Verstoß gegen das Transparenzgebot i.S. des § 307 I 2 BGB kommt in Betracht, wenn die Rechtsposition des VersNehmers nicht klar und durchschaubar geregelt ist, wenn er durch die Fassung einer AVB-Regelung über seine Rechte und Pflichten im Ungewissen gelassen wird; das ist insbes. dann der Fall, wenn die Klausel die wirtschaftlichen Nachteile und Belastungen nicht deutlich erkennen lässt67. Die wichtigsten Fallgruppen des Transparenzgebots sind die (fehlende) Verständlichkeit und die (fehlende) Bestimmtheit68.

aa) Transparenz verlangt insoweit zunächst Verständlichkeit69. Die Formulierung „… die an die Stelle der Erfüllung(sleistung) tretende Ersatzleistung ist nicht Gegenstand der Haftpflichtvers.” ist für den durchschnittlichen VersNehmer nicht verständlich. Das wird für die Haftpflichtvers. inzwischen in der Lit. konzediert70; auch für die Rechtsschutzvers. wird die Auffassung vertreten, dass dieser Terminus für den VersNehmer schwer verständlich sei71. Wenn in der Lit. behauptet wird, durch die Rspr. habe der Begriff des Erfüllungssurrogats hinreichende Eindeutigkeit erhalten72, so ist dem in zweifacher Hinsicht zu widersprechen: Zum einen hat eine AVB-Regelung aus sich heraus verständlich zu sein; zum anderen kann keine Rede davon sein, dass die von der Rspr. herangezogenen Kriterien zu einem für den VersNehmer eindeutigen Verständnis der Klausel führen. Vielmehr kritisiert Littbarski das Kriterium des unmittelbaren Interesses am Leistungsgegenstand zu Recht als diffus73. Die von der Rspr. vollzogene Differenzierung zwischen (nicht gedeckten) Ansprüchen wegen Verletzung des Äquivalenzinteresses und (gedeckten) Ansprüchen wegen Verletzung des Integritätsinteresses ist dem VersNehmer nicht nachvollziehbar74; auch der Begriff des Mangelfolgeschadens, über den Juristen tiefgründige Erwägungen anstellen75, besagt für den verstechnisch und juristisch nicht vorgebildeten VersNehmer nichts. Es kann in diesem Zusammenhang nicht darauf verwiesen werden, die Begriffe „Erfüllungssurrogat” oder „an die Stelle der Erfüllung(sleistung) tretenden Ersatzleistung” entstammten der Fachterminologie, auf deren Verwendung nicht verzichtet werden könne. Fachtermini, für deren Erläuterung der VersNehmer fachmännischen Rat benötigt, darf der Versicherer in AVB nur dann verwenden, wenn eine verständlichere Formulierung der AVB nicht möglich ist76. Eine verständlichere Fassung ist allein schon dadurch möglich, dass etwa Nutzungsausfallschäden ausdrücklich angesprochen werden; dies ist bekanntlich in den AHB 2002 vollzogen worden.

bb) Die Regelung des Erfüllungsschadenausschlusses in den AHB, wie sie vor dem Jahr 2002 verwendet wurden, erfüllt außerdem die Anforderungen des Bestimmtheitsgebots nicht. Allgemeine Geschäftsbedingungen müssen so abgefasst sein, dass sie für den Versicherer keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume eröffnen77. Zu wenig bestimmt sind auch § 4 I Nr. 6 letzter Abs. letzter Spiegelstrich AHB 2002 und Ziff. 1.2 (6) AHB 2004, soweit dort der Terminus an die Stelle der Erfüllung tretende Ersatzleistung verwendet wird. Eine Klausel, die so unbestimmt ist, dass der VersNehmer die von der Klausel erfassten Fälle nicht einmal grob abschätzen kann, ist intransparent. Der VersNehmer kann der Regelung nicht entnehmen, wie weit der Ausschluss reicht; selbst einem Juristen gelingt dies allenfalls mit viel Mühe: So versuchen Harbauer/Maier etwa, den Begriff der „an die Stelle der Erfüllung(sleistung) tretende Ersatzleistung” mit Hilfe von sechs Beispielfällen dem (juristisch geschulten!) Leser zu erläutern78, um schließlich festzustellen, dass dort, wo das Gesetz einen Anspruch auf Schadenersatz „wegen Nichterfüllung” bzw. „statt der Leistung” gewährt, sich dieser Anspruch in der Regel (!) mit dem Anspruch auf Ersatz des Erfüllungsinteresses decken werde79. Späte benötigt rund 25 Druckseiten, um den Erfüllungsschadenausschluss zu kommentieren80. Er konstatiert, dass darüber, wie im Einzelfall das Vertragserfüllungsinteresse von gedeckten Schadenersatzansprüchen abzugrenzen ist, mitunter Streit bestehe81. Alles in allem: Die Extension der Regelung ist unklar82; die Vertragsabwicklungstransparenz83 ist nicht gewährleistet. Das führt zur Unwirksamkeit der Klausel84.

VI. Zusammenfassung

§ 4 I Nr. 6 letzter Abs. AHB in der Fassung vor 2002 verletzt das Transparenzgebot des § 307 I 2 BGB und ist deshalb unwirksam. Das gilt auch für § 4 I Nr. 6 letzter Abs. letzter Spiegelstrich AHB 2002 sowie für Ziff. 1.2 (6) AHB 2004, soweit dort Ansprüche wegen an die Stelle der Erfüllung tretende Ersatzleistung ausgeschlossen werden. Es kann nicht argumentiert werden, die Leistungsfreiheit des Versicherers ergebe sich dann eben aus § 1 Nr. 1 AHB (Ziff. 1.1 AHB 2004); der Wortlaut dieser Regelung gibt nicht her, dass solche Ansprüche vom VersSchutz ausgenommen sein sollen.

Selbst wenn man dieser Auffassung nicht folgt, ergibt eine am Wortlaut und den Verständnismöglichkeiten eines durchschnittlichen VersNehmers orientierte Auslegung des § 4 I Nr. 6 letzter Abs. AHB (Fassung vor 2002), dass Ansprüche wegen entgangener Nutzungen nicht vom Ausschluss umfasst sind. Der Verfasser hat den vom OLG Koblenz entschiedenen „Dachreparatur-Fall”85 – der Vermieter (= VersNehmer) lässt das abgedeckte Dach des Hauses nur provisorisch gegen Regen sichern; Regenwasser dringt in die Wohnung des Mieters ein, Möbel müssen abtransportiert und anderenorts vorübergehend untergestellt werden – (angehenden) Diplomkaufleuten, (angehenden) Versicherungsbetriebswirten und (angehenden) Fachanwälten für Versicherungsrecht zur deckungsrechtlichen Begutachtung vorgelegt: Kein einziger (!) Bearbeiter hat den Erfüllungsschadenausschluss auch nur angesprochen. Nun mag man versucht sein zu sagen, die Bearbeiter seien „versrechtliche Nieten” gewesen. Wenn aber verstechnisch und juristisch zumindest vorgebildete Personen die vom Mieter gestellten Ansprüche nicht als „an die Stelle der Erfüllungsleistung tretende Ersatzleistung” erkennen, wird auch der „durchschnittliche” VersNehmer eine solche Überlegung nicht anstellen. – Die AHB 2002 und 2004 schließen dagegen Nutzungsausfallschäden ausdrücklich vom VersSchutz aus; die Rechtslage ist für den VersNehmer insoweit klar den Bedingungen zu entnehmen.


1 BGH, NJW 1964, 1025f.

2 Wenn von den „alten” AHB die Rede ist, ist damit die über viele Jahre hinweg gebräuchliche Fassung des Bedingungwerks in der zuletzt vom (damaligen) Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen genehmigten Fassung (1985) gemeint. Diese ist z.B. auch der Kommentierung von Voit/Knappmann, in Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl. 2004 zu Grunde gelegt. Sofern neuere Musterbedingungen des GDV Abweichungen von den „alten” AHB enthalten, sind diese mit Jahreszahlen kenntlich gemacht (AHB 1999, AHB 2002). Soweit die „alten” AHB, die AHB 1999 und die AHB 2002 identische Regelungsinhalte haben, ist einfach nur von „AHB” die Rede. Die AHB 2004 als grundlegend neu konzipierte Bedingungen werden stets gesondert angeführt.

3 BGH, r+s 2004, 499.

4 Vgl. Voit/Knappmann, a.a.O. (Fn. 2), § 1 AHB Rdnr. 13 m.w.N. – Es sei auch darauf hingewiesen, dass es sich unstreitig um einen unechten Vermögensschaden handelt, wenn eine Person geschädigt wird und der Arbeitgeber nun Schadenersatzansprüche wegen Lohnkosten eines Vertreters erhebt; vgl. Kuwert, Allgemeine Haftpflichtvers., 4. Aufl. 1992, Rdnr. 1029.

5 BGH, VersR 1976, 477; Baumann, in Berliner Kommentar zum VVG (künftig zit.: BK), 1999, § 149 Rdnr. 36; Späte, Haftpflichtvers., 1993, § 1 Rdnr. 67.

6 Späte, a.a.O. (Fn. 5), § 1 Rdnr. 67; Littbarski, AHB, 2001, § 1 Rdnr. 22, 23.

7 Vgl. OLG Frankfurt/M., VersR 1982, 790.

8 Vgl. statt vieler Späte, a.a.O. (Fn. 5), § 4 Rdnrn. 170ff.; Littbarski, a.a.O. (Fn. 6), § 1 Rdnr. 37; Dengler, Die Haftpflichtvers. im privaten und gewerblichen Bereich, 3. Aufl. 2003, S. 105f.

9 So dezidiert Baumann, in Berliner Kommentar zum VVG (künftig zit.: BK), 1999, § 149 Rdnr. 57 m.w.N.; ähnlich Voit/Knappmann, a.a.O. (Fn. 2), § 4 AHB Rdnr. 74, die annehmen, es handele sich um einen unechten Ausschluss, soweit es nicht um Schadenersatzansprüche geht. Anders etwa Littbarski, a.a.O. (Fn. 6), § 1 Rdnr. 37; R. Johannsen, in Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch, 2004, § 24 Rdnr. 23 jeweils m.w.N.

10 BGH, r+s 1995, 45; 2000, 449; 2003, 194.

11 BGH, r+s 2005, 57 (58).

12 Dengler, a.a.O. (Fn. 8), S. 106.

13 Solche Kosten können – in begrenztem Umfang – in den VersSchutz etwa eines Bauhandwerkers eingeschlossen werden; vgl. Dengler, a.a.O. (Fn. 8), S. 106,

14 OLG Hamm, VersR 1992, 730; vgl. auch OLG Karlsruhe, r+s 1993, 331.

15 OLG Koblenz, r+s 2000, 147.

16 Schmalzl, Die Berufshaftpflichtvers. des Architekten und des Bauunternehmers, 1989, Rdnr. 463.

17 Statt vieler vgl. Baumann, in BK, a.a.O. (Fn. 9), § 149 Rdnrn. 57f.

18 Vgl. Dengler, a.a.O. (Fn. 8), S. 108; OLG Hamm, VersR 1992, 730.

19 Eingehend dazu Schmalzl, a.a.O. (Fn. 16), 466ff. und Schlegelmilch, Haftpflichtvers. und unternehmerisches Risiko, Diss. München 1964, S. 42ff.m.w.N.

20 So Voit/Knappmann, in Prölss/Martin, a.a.O. (Fn. 2), § 4 Rdnr. 75 m.w.N.

21 OLG Köln, r+s 2003, 501.

22 BGH, VersR 1981, 771 – Statikerfall -; vgl. auch BGH, VersR 1985, 1153 – Bohrinselfall -.

23 OLG Koblenz, r+s 2000, 147 (148f.).

24 Vgl. nur OLG Köln, r+s 2002, 58; Kummer, in Terbille (Hrsg.), Münchener Anwaltshandbuch Versicherungsrecht, 2004, § 11 Rdnr. 45 m.w.N.

25 OLG Frankfurt/M., VersR 1982, 790; OLG Stuttgart, VersR 2001, 187.

26 So OLG Köln, r+s 2002, 58 (60).

27 Vgl. Dengler, a.a.O. (Fn. 8), S. 107; Halm, in Halm/Engelbrecht/Krahe, (Hrsg.), Handbuch des Fachanwalts Versicherungsrecht, 2004, Kap. 23 Rdnr. 50.

28 BGH, r+s 2004, 499 (501) m.w.N.

29 Vgl. v. Rintelen, in Beckmann/Matusche-Beckmann, a.a.O. (Fn. 9), § 26 Rdnr. 47.

30 BGH, VersR 1983, 1169; r+s 2004, 499 (501).

31 OLG Hamm, VersR 1997, 730.

32 Dass der VersNehmer diese Zwecksetzung aus dem Wortlaut erkennen kann, besagt noch nichts zur Frage der Transparenz, ob also die Grenzen des Anwendungsbereichs der Klausel unscharf sind oder nicht; dazu näher unter V.

33 Der deliktsrechtliche Anspruch ist nur dann vom Ausschluss umfasst, wenn das unmittelbare Interesse am eigentlichen Leistungsgegenstand betroffen ist; vgl. Schmalzl, VersR 1956, 270 (272); Prölss, VersR 1967, 432 (436); Harbauer/Maier, Rechtsschutzvers., 7. Aufl. 2004, § 14 ARB 75 Rdnr. 25.

34 Vgl. unter III 3.

35 Über die bereits angegebenen Fundstellen hinaus vgl. noch Honsell, VersR 1985, 3 (5); Hübner, VersR 1985, 810 (812).

36 Littbarski, a.a.O. (Fn. 6), § 4 Rdnr. 309 mit umfangreichen Nachweisen seiner früheren Schriften zu diesem Thema.

37 Littbarski, a.a.O. (Fn. 6), § 4 Rdnrn. 310, 319.

38 BGH, VersR 1985, 1153.

39 Vgl. Baumann, in BK, a.a.O. (Fn. 9), § 149 Rdnrn. 59, 63.

40 Zur Auslegung von AVB und zur Entwicklung der Rspr. vgl. Römer, in Römer/Langheid, VVG, 2. Aufl. 2003, Vor § 1 Rdnrn. 1ff.

41 BGH, r+s 1989, 289; 1990, 73; 109.

42 Vgl. OLG Köln, r+s 1992, 289, 316; BGH, NVersZ 1998, 47 = r+s 1999, 111.

43 Vgl. von Rintelen, in Beckmann/Matusche-Beckmann, a.a.O. (Fn. 9), § 26 Rdnr. 36 m.w.N.

44 BGH, r+s 1990, 289.

45 BGH, VersR 1989, 903; r+s 1990, 109; OLG Hamm, r+s 1990, 60.

46 OLG Hamm, VersR 1997, 730.

47 St. Rspr., vgl. nur BGH, r+s 2003, 16.

48 Vgl. Schlegelmilch, a.a.O. (Fn. 19), S. 66ff., dessen Ausführungen allerdings keine expliziten Angaben zur Entstehungsgeschichte enthalten.

49 Vgl. Schlegelmilch, a.a.O. (Fn. 19), S. 45 m.w.N.

50 BGH, r+s 1995, 45; r+s 2000, 449, 450.

51 St. Rspr., vgl. BGH, r+s 2003, 194 m.w.N.

52 Unter II.

53 Schlegelmilch, a.a.O. (Fn. 19), S. 45.

54 BGH, VersR 1984, 252.

55 Vgl. etwa Späte, a.a.O. (Fn. 5), § 4 Rdnr. 161; Büsken, Allgemeine Haftpflichtvers., 1994, S. 39f.; Schmalzl, Die Berufshaftpflichtvers. des Architekten und des Bauunternehmers, 1989, Rdnrn. 121ff.

56 BGH, r+s 1999, 152. Dazu Bayer, VersR 1999, 813ff.; krit. Langheid/Müller-Frank, NJW 1999, 3454 (3460). – Das OLG Saarbrücken, VersR 2005, 394 (397) lehnt eine Übertragung der vom BGH zu § 4 I Nr. 6b AHB entwickelten Grundsätze auf den Ausschlusstatbestand „Erdrutschung” (§ 4 I Nr. 5 AHB) ab. Zur Begründung führt das Gericht u.a. an, in § 4 I Nr. 6b AHB seien ausdrücklich „Schäden an fremden Sachen” als ausgeschlossen genannt, während es für § 4 I Nr. 5 AHB genüge, dass sich der Haftpflichtanspruch allgemein aus dem Sachschaden ergebe. Das OLG geht mit Recht davon aus, dass die Formulierung des § 4 I Nr. 5 AHB dem VersNehmer klar zu verstehen gibt, das alle Ansprüche, die aus Erdrutschungen resultieren, ausgeschlossen sind. Auf die vorliegende Problematik ist die vom Gericht vorgenommene differenzierende Betrachtung nicht übertragbar, denn § 4 I Nr. 6 letzter Abs. AHB schließt nicht alle vertraglichen Ansprüche von der Deckung aus, sondern eben nur solche, die auf eine „…an die Stelle der Erfüllungsleistung tretende Ersatzleistung…” gerichtet sind.

57 Vgl. dazu Präve, Beckmann/Matusche-Beckmann (Hrsg.), a.a.O. (Fn. 9), § 10 Rdnr. 156 m.w.N.

58 Vgl. dazu BGH, r+s 2004, 371 (372).

59 Vgl. dazu Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, 9. Aufl. 2004, § 43 Rdnr. 72 Präve, in Beckmann/Matusche-Beckmann (Hrsg.), a.a.O. (Fn. 9), § 10 Rdnr. 358; Schimikowski, r+s 1998, 353 (355ff.).

60 Vgl. oben II 1.

61 Präve, in Beckmann/Matusche-Beckmann (Hrsg.), a.a.O. (Fn. 9), § 10 Rdnr. 363 m.w.N.

62 Vgl. Präve, in Beckmann/Matusche-Beckmann (Hrsg.), a.a.O. (Fn. 9), § 10 Rdnrn. 168ff.m.w.N.

63 Vgl. OLG Dresden, r+s 2003, 237.

64 BGH, r+s 2001, 300.

65 BGH, r+s 1996, 169; 2003, 427.

66 Vgl. – statt vieler – Halm, in Halm/Engelbrecht/Krahe (Hrsg), a.a.O. (Fn. 27), Kap. 23 Rdnr. 50.

67 BGH, r+s 2001, 433; Überblick über die Grundsätze der Rechtsprechung zum Transparenzgebot im Versicherungsrecht bei Römer, in Römer/Langheid, a.a.O. (Fn. 40), Vor § 1 Rdnr. 18 sowie bei Terno, r+s 2004, 45 (51f.).

68 Vgl. Jauernig/Stürner, BGB, 11. Aufl. 2004, § 307 Rdnr. 9.

69 Vgl. Präve, in Beckmann/Matusche-Beckmann (Hrsg.), a.a.O. (Fn. 9), § 10 Rdnr. 366.

70 Vgl. von Rintelen, in Beckmann/Matusche-Beckmann (Hrsg.), a.a.O. (Fn. 9) § 26 Rdnr. 39.

71 Harbauer/Maier, a.a.O. (Fn. 33), § 14 ARB 75 Rdnr. 15.

72 So von Rintelen, in Beckmann/Matusche-Beckmann (Hrsg.), a.a.O. (Fn. 9), § 26 Rdnr. 39.

73 Littbarski, a.a.O. (Fn. 6), § 4 Rdnr. 316.

74 Vgl. auch Halm, in Halm/Engelbrecht/Krahe (Hrsg.), a.a.O. (Fn. 27), Kap. 23 Rdnr. 50: Die Abgrenzung sei im Einzelfall extrem schwierig.

75 Vgl. nur Choi, Mangelschaden, Mangelfolgeschaden und Folgeschäden ohne Mangel im Lichte typologischen Denkens, 2003 sowie Rüßmann, in FS Kollhosser Bd. II, 2004, S. 571ff.

76 Vgl. Präve, in Beckmann/Matusche-Beckmann (Hrsg.), a.a.O. (Fn. 9), § 10 Rdnr. 366 m.w.N.

77 Präve, in Beckmann/Matusche-Beckmann (Hrsg.), a.a.O. (Fn. 9), § 10 Rdnr. 373.

78 Harbauer/Maier, a.a.O. (Fn. 33), § 14 ARB 75, Rdnrn. 17-23.

79 Harbauer/Maier, a.a.O. (Fn. 33), § 14 ARB 75, Rdnrn. 24.

80 Späte, a.a.O. (Fn. 2), § 1 Rdnrn. 132-142 sowie § 4 Rdnrn. 170-193.

81 Späte, a.a.O. (Fn. 2), § 4 Rdnr. 177.

82 OLG Nürnberg, NVersZ 2002, 282 = r+s 2002, 499 m. Anm. Schimikowski.

83 Larenz/Wolf, a.a.O. (Fn. 59), § 43 Rdnr. 72.

84 Vgl. auch OLG Köln, VersR 2002, 182.

85 OLG Koblenz, r+s 1997, 361.

Quelle: Prof. Dr. Peter Schimikowski, Köln