Riskante Schnittstelle: Krankentagegeld – Berufsunfähigkeitsrente

Riskante Schnittstelle: Krankentagegeld – Berufsunfähigkeitsrente

Die eigenverantwortliche Absicherung der Arbeitskraft ist gleichermaßen für Arbeitnehmer, Freiberufler und Selbständige als wichtiger Beitrag zur persönlichen Existenzsicherung zu bewerten. Im Rahmen der Vorsorgeberatung zur Absicherung der Arbeitskraft kaprizieren sich viele Versicherungsvermittler auf die Beratung zu und die Einrichtung von einer Berufsunfähigkeitsversicherung; ein uU haftungsrelevanter Kardinalfehler in der Beratung, da jeder Berufsunfähigkeit regelmäßig eine – zumeist – längere Arbeitsunfähigkeit des Versicherungsnehmers vorausgeht. Finanzielle Deckungslücken im Fall einer längeren, dh bei Arbeitnehmern einer über die Entgeltfortzahlung des Arbeitgebers hinausreichenden Arbeitsunfähigkeit können im Fall von in der gesetzlichen Krankenversicherung pflicht- oder freiwillig versicherten Arbeitnehmern, aber auch von GKV-versicherten Freiberuflern und Selbständigen, die auf eine Absicherung von Krankengeld optiert haben, mit einer den Anspruch auf Krankengeld flankierenden Krankentagegeldversicherung geschlossen werden. Für Versicherte mit einer privaten Krankheitskostenvollversicherung und für freiberuflich und selbständig tätige Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung ohne Anspruch auf Krankengeld kann der für den Fall einer Arbeitsunfähigkeit erforderliche Versicherungsschutz mit einer substitutiven Krankentagegeldversicherung abgebildet werden. Allerdings müssen die Wechselwirkungen zwischen Berufsunfähigkeits- und Krankentagegeldversicherung zwingend beachtet werden.

  1. Prüfschritt 1: Ermittlung der finanziellen Deckungslücke im Fall der Arbeitsunfähigkeit

Pflicht- und freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherte Arbeitnehmer haben im Fall der Arbeitsunfähigkeit innerhalb von drei Jahren einen Anspruch auf Krankengeld für die Dauer von maximal 78 Wochen ­wegen derselben Krankheit.1 Nachdem der Anspruch auf Krankengeld für die Dauer der Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber ruht, erhält ein Arbeitnehmer unter Berücksichtigung der gesetzlichen, dh sechswöchigen Entgeltfortzahlung2 im Krankheitsfall für maximal 72 Wochen Krankengeld. In diesem Zusammenhang muss beachtet werden, dass der Beitritt einer weiteren Erkrankung während einer leistungspflichtigen Arbeitsunfähigkeit den Anspruch auf Krankengeld nicht verlängert.3

Der Anspruch auf Krankengeld bemisst sich mit 70 % des durchschnittlichen Bruttoeinkommens der letzten 12 Monate vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit4, maximal jedoch mit 90 % des durchschnittlichen Nettoeinkommens im gleichen Zeitraum.5 Sofern ein in der gesetzlichen Krankenversicherung versichertes Mitglied vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit in der Arbeitslosen-­, gesetzlichen Renten- und sozialen Pflegeversicherung pflichtversichert war6, muss auch das Krankengeld verbeitragt werden, dh der Anspruch auf Krankengeld mindert sich um die (arbeitnehmeranteiligen) Beiträge zur Arbeitslosen-7, gesetzlichen Renten-8 und sozialen Pflegeversicherung.9 Für einen Großteil der Versicherten führt der Bezug von Krankengeld im Vergleich zu ihrem Nettoeinkommen aus beruflicher Tätigkeit zu einer uU signifikanten Einkommensminderung. Dies gilt insbes. für freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherte Arbeitnehmer mit einem Einkommen über der Jahresentgeltgrenze nach § 6 Abs. 7 SGB V. Unter Berücksichtigung der Jahresarbeitsentgeltgrenze 2021 von 58.050 EUR10 errechnet sich ein maximales Krankengeld iHv 112,88 EUR/Tag. Für die Schließung von Versorgungslücken bieten einige gesetzliche Krankenkassen freiberuflich und selbständig tätigen Mitgliedern Wahltarife11 an, mit denen eine vorgezogene Zahlung von Krankengeld ab dem 15. bzw. 21. Tag der Arbeitsunfähigkeit12 bzw. im Fall einer vollstationären Behandlungsmaßnahme ab dem Tag der Aufnahme in ein Krankenhaus sowie eine zusätzliche Absicherung von Krankengeld über den Rahmen des gesetzlichen Krankengelds hinaus vereinbart werden kann. Allerdings wird diese optionale Absicherung von Krankengeld regelmäßig mit einer summenmäßigen Obergrenze gedeckelt und das gesetzliche sowie das im Rahmen von Wahltarifen abgesicherte Krankengeld darf 70 % des durchschnittlichen Brutto- bzw. 90 % des durchschnittlichen Nettoeinkommens nicht übersteigen.

Im Gegensatz zur gesetzlichen Krankenversicherung können Versicherungsnehmer einer privaten Krankentagegeldversicherung ihren Versicherungsschutz frei vereinbaren, dh eine Absicherung des durchschnittlichen Nettoeinkommens ist im Rahmen der tariflichen Höchstversicherungssummen möglich.13 Bei der Bemessung des Krankentagegelds sollte allerdings zwingend beachtet werden, dass der Beitrag zur Krankentagegeld- und einer ggf. damit verbundenen Krankheitskosten- und privaten Pflegepflichtversicherung auch für die Dauer einer Arbeitsunfähigkeit fortlaufend gezahlt werden muss14, dh der laufende Beitrag zur privaten Kranken- und privaten Pflegepflichtversicherung sollte bei der Bemessung des Versicherungsschutzes berücksichtigt werden. Für in der gesetzlichen Rentenversicherung Pflichtversicherte sollte bei der Einrichtung einer substitutiven Krankentagegeldversicherung auch eine Absicherung von freiwilligen Pflichtbeiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung erwogen werden (s. Kap. 2.).

1.1 Leistungsvoraussetzungen für den Bezug von Krankengeld

Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherung haben im Fall einer ärztlich testierten Arbeitsunfähigkeit Anspruch auf Krankengeld.15 Eine Definition der leistungsbegründenden Arbeitsunfähigkeit sucht man allerdings im SGB V vergebens. Für Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherung wird der Begriff der Arbeitsunfähigkeit in der Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie definiert. Danach liegt eine Arbeitsunfähigkeit vor, wenn der Versicherte aufgrund von Krankheit seine zuletzt vor der Arbeitsunfähigkeit ausgeübte Tätigkeit nicht mehr oder nur unter der Gefahr der Verschlimmerung der Erkrankung ausführen kann. Die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit ist dabei auf die vom Versicherten vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit ausgeübte berufliche Tätigkeit abzustellen.16 Nach der Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie besteht allerdings eine Arbeitsunfähigkeit, und damit ein Anspruch auf Krankengeld, auch für die Dauer einer Wiedereingliederungsmaßnahme des Versicherten nach § 74 SGB V.17

1.2 Leistungsvoraussetzungen für den Bezug von ­Krankentagegeld

Nach den Musterbedingungen für die Krankentagegeldversicherung ist der Versicherungsfall eine medizinisch notwendige Heilbehandlung der versicherten Person infolge Krankheit oder Unfall, in deren Verlauf eine bedingungsgemäße Arbeitsunfähigkeit ärztlich festgestellt wird.18 Im Gegensatz zur sozialrechtlichen Definition der Arbeitsunfähigkeit legt der Verband der Privaten Krankenversicherung eV den Begriff der Arbeitsunfähigkeit in seinen Musterbedingungen für die Krankentagegeldversicherung enger aus. So besteht nach den Musterbedingungen eine Leistungspflicht des Versicherers nur im Fall einer vollständigen Arbeitsunfähigkeit des Versicherungsnehmers.19 Sofern ein privater Krankenversicherer den Begriff der Arbeitsunfähigkeit in seinen Versicherungsbedingungen im Wortlaut der Musterbedingungen definiert, hat der Versicherungsnehmer für die Dauer einer Wiedereingliederungsmaßnahme nach § 74 SGB V keinen Anspruch auf Krankentagegeld.20 Allerdings entfalten die Musterbedingungen für die Krankentagegeldversicherung des Verbandes der Privaten Krankenversicherung eV für die Unternehmen der privaten Krankenversicherung keine bindende Wirkung, dh die Versicherer können in ihren AVB eine leistungspflichtige Arbeitsunfähigkeit weiter auslegen und Arbeitnehmern auch für die (anteilige) Dauer einer Wiedereingliederungsmaßnahme sowie Freiberuflern und Selbständigen für die (anteilige) Dauer einer teilweisen Arbeitsunfähigkeit21 einen Anspruch auf Krankentagegeld einräumen.22 Voraussetzungen für einen Leistungsanspruch während einer Wiedereingliederungsmaßnahme bzw. einer teilweisen Arbeitsunfähigkeit ist regelmäßig eine vorausgehende vollständige Arbeitsunfähigkeit des Versicherungsnehmers. In den AVB der Gesellschaften finden sich dabei unterschiedliche Vorgaben für die Dauer der vollständigen Arbeitsunfähigkeit, die dem Versicherungsnehmer für eine nachfolgende Wiedereingliederungsmaßnahme bzw. eine teilweise Arbeitsunfähigkeit einen Leistungsanspruch sichert. Sofern ein Arbeitnehmer während der Wiedereingliederungsmaßnahme von seinem Arbeitgeber eine anteilige Entgeltzahlung erhält, mindert dies den Anspruch auf Krankentagegeld. Für Freiberufler und Selbständige gilt im Fall einer teilweisen Arbeitsunfähigkeit, dass sich der Anspruch auf Krankentagegeld im Verhältnis zum ärztlichen testierten Grad der Arbeitsunfähigkeit mindert.

  1. Prüfschritt 2: Zahlung von freiwilligen GRV-Pflichtbeiträgen

Während der Gesetzgeber die Versicherungspflicht von Leistungsempfängern mit einem Bezug von Krankengeld in der gesetzlichen Rentenversicherung normiert hat23, unterliegt ein Bezug von Krankentagegeld nicht der Beitragspflicht. Sofern ein in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversicherter Versicherungsnehmer aus einer substitutiven Krankentagegeldversicherung Krankentagegeld erhält, entfällt somit für die Dauer des Leistungsbezugs eine Zahlung von Pflichtbeiträgen an die gesetzliche Rentenversicherung. Im Fall einer schweren oder einer rezidivierenden Erkrankung kann es vorkommen, dass Krankentagegeld für einen längeren Zeitraum oder auch für wiederholte Leistungszeiträume gewährt wird. In diesem Zusammenhang müssen in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversicherte Mitglieder beachten, dass für einen Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung sowohl die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren24 vor Eintritt der Erwerbsminderung25 sowie die sog. Drei-Fünftel-Belegung mit Pflichtbeiträgen, dh die Zahlung von mind. 36 monatlichen Pflichtbeiträgen in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung erfüllt sein müssen.26 Die für einen Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung geforderten Pflichtbeiträge müssen dabei nicht zwingend zusammenhängend, sondern können auch in unregelmäßigen Abständen in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung bezahlt werden.27 Bei einem Bezug von Krankentagegeld über einen Zeitraum von in Summe mehr als 24 Monaten in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung kann die Drei-Fünftel-Belegung mit Pflichtbeiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung nicht erfüllt werden. In diesem Zusammenhang muss ein kumulativer Bezug von Krankentagegeld berücksichtigt werden. So können im Fall von bspw. psychischen oder auch rezidivierenden Krebserkrankungen die Zeiten der Arbeitsunfähigkeit von Arbeitsversuchen oder auch einer Wiedereingliederungsmaßnahme nach § 74 SGB unterbrochen werden. In diesem Fall muss die Gesamtdauer des Bezugs von Krankentagegeld und den damit in Verbindung stehenden beitragsfreien Zeiten ermittelt werden.

Zur Sicherung der Voraussetzungen für einen Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung können Zeiten ohne Beitragspflicht, zB aufgrund des Bezugs von Krankentagegeld, mit der Zahlung von freiwilligen Pflichtbeiträgen auf Antrag28 überbrückt werden. Dies gilt insbes. für Arbeitnehmer, die eine private Krankenversicherung mit einer (substitutiven) Krankentagegeldversicherung unterhalten, aber beispielsweise auch für pflichtversicherte selbständige Handwerker, die als freiwillige Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung29 nicht auf eine Absicherung von Krankengeld optiert30 und das Risiko eines Einkommensausfalls infolge Arbeitsunfähigkeit mit einer Krankentagegeldversicherung abgesichert haben.31 Unterhält ein in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichertes Mitglied eine flankierende Krankentagegeldversicherung zur Ergänzung der Krankengeldleistungen eines gesetzlichen Krankenversicherers, so besteht für die Dauer des Krankengeldbezugs Versicherungspflicht.

Sofern ein Mitglied der gesetzlichen Rentenversicherung aufgrund des Bezugs von Krankentagegeld und eines damit verbundenen temporären Entfalls der Versicherungspflicht einen Antrag auf Versicherungspflicht und die Zahlung von freiwilligen Pflichtbeiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung stellt, können freiwillige Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung für die Dauer der Arbeitsunfähigkeit, jedoch längstens für 18 Monate entrichtet werden.32

  1. Prüfschritt 3: Rückforderung von Krankentagegeld

Der Verband der Privaten Krankenversicherung eV benennt in seinen Musterbedingungen für die Krankentagegeldversicherung neben den Kündigungsrechten von Versicherer und Versicherungsnehmer weitere Gründe, die zur Beendigung der Krankentagegeldversicherung führen.33 So endet die Krankentagegeldversicherung mit dem Fortfall einer Voraussetzung für die Versicherungsfähigkeit, zB mit der Aufgabe der Erwerbstätigkeit, aber auch mit dem Tod der versicherten Person.34 Allerdings führen nach den Musterbedingungen auch eine Verlegung des gewöhnlichen Aufenthaltsortes der versicherten Person in einen Staat außerhalb der Europäischen Union bzw. des Europäischen Wirtschaftsraums35, der Bezug der Altersrente, die Vollendung des 65. Lebensjahres36 sowie die Berufsunfähigkeit der versicherten Person zur Beendigung der Krankentagegeldversicherung.37 Sofern bei Eintritt der Berufsunfähigkeit noch eine bedingungsgemäße Arbeitsunfähigkeit der versicherten Person besteht, hat der Versicherungsnehmer nach den Musterbedingungen für die Krankentagegeldversicherung einen fortlaufenden Anspruch auf Krankentagegeld bis zum Ende der Arbeitsunfähigkeit, maximal jedoch für die Dauer von drei Monaten.38

In seinen Musterbedingungen definiert der PKV-Verband eine bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit wie folgt: „Berufsunfähigkeit liegt vor, wenn die versicherte Person nach medizinischem Befund im bisher ausgeübten Beruf auf nicht absehbare Zeit mehr als 50 % erwerbsunfähig ist.“ Diese Auslegung des Begriffs der Berufsunfähigkeit in den Musterbedingungen für die Krankentagegeldversicherung weicht von der Definition der Berufsunfähigkeit in den Musterbedingungen für die Berufsunfähigkeitsversicherung39 des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft ab. Ein Tatbestand, auf den auch der Gesetzgeber ausdrücklich in der VVG-Informationspflichtenverordnung hinweist.40 Sofern ein privater Krankenversicherer die Krankentagegeldversicherung wegen Eintritt der Berufsunfähigkeit beenden möchte, obliegt ihm der Nachweis einer bedingungsgemäßen Berufsunfähigkeit im Sinne seiner Versicherungsbedingungen. In diesem Zusammenhang hatte der BGH ­ausgeführt, dass der Bezug einer Rente wegen voller Erwerbsminderung nicht zwingend eine Berufsunfähigkeit iSd Musterbedingungen für die Krankentagegeldversicherung begründet.41 Nachdem die Musterbedingungen für die Krankentagegeldversicherung keinen halbzwingenden oder zwingenden Charakter entfalten, können die privaten Krankenversicherer in ihren Versicherungsbedingungen auch abweichende Regelungen, zB für die Auslegung einer die Beendigung der Krankentagegeldversicherung begründenden Berufsunfähigkeit, aufnehmen. In den letzten Jahren sind zunehmend mehr private Krankenversicherer dazu übergegangen, den Begriff der Berufsunfähigkeit, und damit die Voraussetzungen für eine Beendigung der Krankentagegeldversicherung aufgrund einer Berufsunfähigkeit der versicherten Person, weiter auszulegen. So findet sich in vielen Versicherungsbedingungen zwischenzeitlich der Hinweis, dass der Bezug einer Rente wegen Berufsunfähigkeit oder Erwerbsminderung42 einer Berufsunfähigkeit iSd Musterbedingungen gleichzusetzen ist.

Die Beendigung der Krankentagegeldversicherung im Fall der Anerkennung einer Erwerbsminderung durch einen Träger der gesetzlichen Rentenversicherung muss allerdings kritisch hinterfragt werden. Während einige private Krankenversicherungen nur den Bezug einer Rente wegen voller Erwerbsminderung einer Berufsunfähigkeit iSd Musterbedingungen gleichsetzen, wird von anderen Gesellschaften auch der Bezug einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung als Beendigungsgrund benannt. Dies kann im Versicherungsfall dazu führen, dass der private Krankenversicherer die Krankentagegeldversicherung beendet, der Lebensversicherer jedoch eine Leistungszusage verweigert. So liegt eine teilweise Erwerbsminderung vor, wenn der Versicherte weniger als sechs, aber mindestens drei Stunden pro Tag erwerbstätig sein kann.43 Eine bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit liegt nach den AVB der Lebensversicherer jedoch vor, wenn der Versicherungsnehmer infolge von Krankheit, Unfall oder einem mehr als altersgemäßen Kräfteverfalls zumindest zu 50 % außerstande ist, den zuletzt ausgeübten Beruf weiter auszuüben. Einige private Krankenversicherer haben daher in Versicherungsbedingungen präzisiert, dass eine teilweise Erwerbsminderung nur dann einer Berufsunfähigkeit iSv § 15 Abs. 1 b) MB/KT 2009 gleichzusetzen ist, wenn der Versicherungsnehmer nicht in der Lage ist, mind. vier Stunden pro Tag einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Unter Berücksichtigung eines Arbeitstages mit acht Stunden, wird mit dieser Definition die „50 %-Klausel“ in der Berufsunfähigkeitsversicherung nachgezeichnet.

Nachdem der Anspruch auf die Zahlung einer Berufsunfähigkeitsrente, vorbehaltlich der Vereinbarung einer tariflichen Karenzzeit, ab dem Ersten des Folgemonats nach Eintritt der Berufsunfähigkeit besteht, führt ein Leistungsanerkenntnis durch einen Lebensversicherer regelmäßig zu einer Nachzahlung von Rentenleistungen. Allerdings ist der Versicherungsnehmer verpflichtet, dem privaten Krankenversicherer den Eintritt der Berufsunfähigkeit einer versicherten Person anzuzeigen.44 Der PKV-Verband führt hierzu weiter aus, dass beide Vertragspartner dazu verpflichtet sind, nach der Beendigung des Versicherungsverhältnisses ausbezahlte Leistungen auch dann auszugleichen, wenn der Krankenversicherer erst zu einem späteren Zeitpunkt von der Berufsunfähigkeit der versicherten Person Kenntnis erlangt.45 Im Praxisalltag führt dies regelmäßig zu einer Rückforderung von Krankentagegeld. Sofern es sich um Tagegeldleistungen aus einer flankierenden Krankentagegeldversicherung handelt, wird die Rückforderung des Krankenversicherers durch die ausgezahlte Berufsunfähigkeitsrente sicherlich in vielen Fällen kompensiert. Unterhält der Versicherungsnehmer jedoch eine substitutive Krankentagegeldversicherung, mit der das Risiko der Arbeitsunfähigkeit voll umfänglich abgesichert wurde, so führt ein Leistungsanerkenntnis des Lebensversicherers und die rückwirkende Zahlung der Berufsunfähigkeitsrente regelmäßig bei Rückforderung von Krankentagegeld zu einem in vielen Fällen sehr hohen Debetsaldo für den Versicherungsnehmer.

  1. Prüfschritt 4: Die „Gelbe-Schein-Regelung“ in der Berufsunfähigkeitsversicherung

In den letzten Jahren wurde die private Berufsunfähigkeitsversicherung von den Lebensversicherungsgesellschaften kontinuierlich weiterentwickelt. So bieten viele Gesellschaften die optionale Absicherung des Risikos einer längeren, dh mind. sechsmonatigen Arbeitsunfähigkeit an oder dieser Versicherungsschutz ist bei Premiumtarifen bereits obligatorischer Vertragsbestandteil. In der Versicherungswirtschaft wird dieser Tarifbaustein umgangssprachlich als „Gelbe-Schein-Regelung“ bezeichnet. Allerdings kann das Risiko der Arbeitsunfähigkeit der versicherten Person nur iVm einer Berufsunfähigkeitsversicherung der Versorgungsschicht 3 abgesichert werden.46 Diese ergänzende Risikoabsicherung ist weder iVm einem Versicherungsvertrag der Versorgungsschicht 1 (private Basis-Rentenversicherung (Erwerbsminderung) bzw. private Basis-Rentenversicherung (Alter))47 noch iVm einer betrieblichen Altersversorgung möglich.48 Bei den Voraussetzungen für eine Leistungszahlung aufgrund einer bedingungsgemäßen Arbeitsunfähigkeit der versicherten Person finden sich in den AVB der Lebensversicherer teilweise erhebliche Unterschiede. Während einige Gesellschaften eine Leistungszahlung erst bei Nachweis einer durchgängigen Arbeitsunfähigkeit von mind. sechs Monaten gewähren, räumen führende Versicherer bereits nach einer dreimonatigen Arbeitsunfähigkeit einen Leistungsanspruch des Versicherungsnehmers ein, sofern ein Facharzt für eine Dauer von mind. drei weiteren Monaten eine fortlaufende Arbeitsunfähigkeit testiert. Der Anspruch auf Leistungen wegen Arbeitsunfähigkeit wird von den Gesellschaften bis zum Ende der Arbeitsunfähigkeit, jedoch – in Abhängigkeit vom Tarif des jeweiligen Anbieters – maximal für einen Zeitraum von 18, 24 oder 36 Monaten gewährt. Dieser maximale Leistungszeitraum gilt nach den AVB der meisten Gesellschaften auch für die gesamte Versicherungsdauer, dh in Summe leistet der Versicherer auch im Fall einer wiederholten Arbeitsunfähigkeit der versicherten Person max. für 18, 24 oder 36 Monate.49

4.1 Definition der leistungsbegründenden Arbeitsunfähigkeit

Sofern die Versicherungsbedingungen für die Berufsunfähigkeitsversicherung eines Lebensversicherers Leistungen für den Fall einer längeren Arbeitsunfähigkeit des Versicherungsnehmers vorsehen, muss die Definition einer leistungsbegründenden Arbeitsunfähigkeit kritisch hinterfragt werden. In ihren AVB lehnen sich einige Gesellschaften an die sozialrechtliche Definition der Arbeitsunfähigkeit an und räumen damit einen Leistungsanspruch auch für den Fall einer Wiedereingliederung nach § 74 SGB V ein. Andere Gesellschaften folgen bei der Auslegung einer leistungspflichtigen Arbeitsunfähigkeit der Definition iSv § 1 Abs. 3 MB/KT 2009 und erklären ihre Leistungspflicht nur für den Fall einer vollständigen Arbeitsunfähigkeit des Versicherungsnehmers. Ein Großteil der Lebensversicherers stellt den Anspruch auf eine Leistungszahlung pauschal auf die Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit gemäß dem Gesetz über die Zahlung des Arbeitsentgelts an Feiertagen und im Krankheitsfall, umgangssprachlich als Gelber Schein bezeichnet, ab.50

Mit dem Dritten Bürokratieentlastungsgesetz hatte der Gesetzgeber die Verpflichtung von Arbeitnehmern zur Vorlage einer ärztlichen Krankschreibung („Gelber Schein“) zum Nachweis einer Arbeitsunfähigkeit mit Wirkung zum 1.1.2022 abgeschafft.51 Die Bescheinigung einer Arbeitsunfähigkeit eines gesetzlich krankenversicherten Arbeitnehmers erfolgt ab 1.1.2022 durch den behandelnden Arzt auf elektronischem Weg an die zuständige Krankenkasse. Diese stellt für den Arbeitgeber eine Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit, die den Namen des Arbeitnehmers, den Beginn und das Ende der ärztlich testierten Arbeitsunfähigkeit, das Ausstelldatum sowie eine Kennzeichnung als Erst- oder Folgebescheinigung enthält, in elektronischer Form zum Abruf bereit. Der Gesetzgeber hält jedoch teilweise an der Papierform der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung fest. So muss der behandelnde Arzt dem Arbeitnehmer eine schriftliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung aushändigen, die den Anforderungen von § 5 Abs. 1 S. 2 und 4 EntgFG entspricht. In seiner Gesetzesbegründung verweist der Deutsche Bundestag auf den hohen Beweiswert dieser Bescheinigung für den Arbeitnehmer.52 Sofern ein Lebensversicherer in seinen Versicherungsbedingungen einen Leistungsanspruch des Versicherungsnehmers im Fall einer längeren Arbeitsunfähigkeit auf die Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung iSv § 5 EntgFG abstellt, kann dieser Nachweis auch von gesetzlich krankenversicherten Arbeitnehmern über den 31.12.2021 hinaus geführt werden.

4.2 Prüfung der Tarifleistung

Bei der Absicherung des Risikos einer längeren Arbeitsunfähigkeit iVm einer Berufsunfähigkeitsversicherung ist die Art der Leistungszahlung im Versicherungsfall von entscheidender Bedeutung. Hier gilt es genau zu prüfen, ob die Versicherungsbedingungen des Lebensversicherers für den Versicherungsfall die – zeitlich befristete – Auszahlung der vertraglich vereinbarten Berufsunfähigkeitsrente oder einer eigenständigen Tarifleistung (Arbeitsunfähigkeitsrente) vorsehen. Sofern in den AVB einer Gesellschaft eine eigenständige Tarifleistung für den Fall einer bedingungsgemäßen Arbeitsunfähigkeit benannt wird, findet sich regelmäßig der Anspruch auf eine Rente iHd vereinbarten Berufsunfähigkeitsrente.

Der Ausweis einer eigenständigen Tarifleistung für den Fall der Arbeitsunfähigkeit ist für Versicherungsnehmer, die eine Krankentagegeldversicherung unterhalten, allerdings von größter Bedeutung. So kann der zeitlich befristete Bezug der Berufsunfähigkeitsrente im Fall der Arbeitsunfähigkeit des Versicherungsnehmers auch den Anspruch des privaten Krankenversicherers auf Rückforderung von Krankentagegeld begründen. Sofern der Krankenversicherer in seinen AVB den Bezug einer Berufsunfähigkeitsrente der Berufsunfähigkeit iSv § 15 Abs. 1 b) MB/KT 2009 gleichstellt, führt die Auszahlung der Berufsunfähigkeitsrente zu einer Rückforderung von Krankentagegeld für den Zeitraum der Rentenzahlung.53 Auch eine kulanterweise von einem Lebensversicherer gewährte Zahlung einer Berufsunfähigkeitsrente aufgrund längerer Arbeitsunfähigkeit im Rahmen eines zeitlich befristeten Leistungsanerkenntnisses54 kann einen Rückforderungsanspruch des privaten Krankenversicherers begründen.55 Nach den Musterbedingungen für die Krankentagegeldversicherung darf der Versicherungsnehmer eine weitere Krankentagegeldversicherung nur mit Zustimmung des ersten Versicherers abschließen. Auch die Erhöhung einer bestehenden zweiten Krankentagegeldversicherung darf nur mit Zustimmung des jeweils anderen Krankenversicherers erfolgen.56 Hier stellt sich nun die Frage, ob der Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung, die für den Fall der Arbeitsunfähigkeit eine tarifliche Rentenleistung vorsieht, dem privaten Krankenversicherer angezeigt werden muss bzw. der Abschluss nur mit dessen Zustimmung erfolgen darf? Bereits im Jahr 2005 wurde vor dem OLG Karlsruhe eine ähnliche Frage verhandelt. Der Kläger hatte bei einem Lebensversicherer eine Restschuld-Lebensversicherung mit einer Arbeitsunfähigkeits-Zusatzversicherung abgeschlossen. Für den Versicherungsfall sahen die AVB des Versicherungsvertrages eine rentenförmige Leistungszahlung an den Versicherungsnehmer vor. Nachdem der Krankenversicherer hiervon Kenntnis erhalten hatte, stellte er die Leistungszahlung zu einem anhängigen Versicherungsfall ein und kündigte das Vertragsverhältnis aufgrund der unterlassenen Anzeige und des damit verbundenen Verstoßes gegen die Obliegenheitspflichten. Die Klage des Versicherungsnehmers auf Auszahlung des vertraglich vereinbarten Krankentagegelds und Fortführung des Versicherungsvertrages hatte teilweise Erfolg. Das OLG Karlsruhe entschied zugunsten des Klägers und führte in seiner Urteilsbegründung aus, dass aufgrund der unterschiedlichen Zahlungsmodalitäten und Leistungsvoraussetzungen von Arbeitsunfähigkeits-Zusatzversicherung einerseits und der Krankentagegeldversicherung andererseits dem Versicherungsnehmer eine Obliegenheitsverletzung nicht anzulasten sei.57 So verspricht eine Krankentagegeldversicherung für die Dauer einer leistungspflichtigen Arbeitsunfähigkeit ein Tagegeld, während im Versicherungsfall aus der Arbeitsunfähigkeits-Zusatzversicherung eine Rentenleistung ausbezahlt wird. Auch den Unterschied bei den Leistungsvoraussetzungen unterstrich das Gericht in seiner Urteilsbegründung. So setzt ein Leistungsanspruch im Fall der Krankentagegeldversicherung eine medizinisch notwendige Heilbehandlung infolge von Krankheit oder Unfall, in deren Verlauf eine Arbeitsunfähigkeit des Versicherungsnehmers ärztlich testiert wird, voraus. Nach den AVB für die Arbeitsunfähigkeits-Zusatzversicherung begründete sich indes ein leistungspflichtiger Versicherungsfall mit der Unfähigkeit des Versicherungsnehmers, seine bisherige berufliche Tätigkeit oder eine Verweisungstätigkeit auszuüben; das Erfordernis einer Heilbehandlung wird in den Versicherungsbedingungen nicht benannt. Den Anspruch auf einen fortlaufenden Leistungsbezug verneinte das OLG Karlsruhe mit der Begründung des fehlenden Nachweises einer bedingungsgemäßen Arbeitsunfähigkeit durch den Versicherungsnehmer.58

Das Urteil des OLG Karlsruhe kann allerdings nur teilweise auf die „Gelbe-Schein-Regelung“ in der Berufsunfähigkeitsversicherung übertragen werden. Wie aus einer Arbeitsunfähigkeits-Zusatzversicherung erhält der Versicherungsnehmer auch aus der Berufsunfähigkeitsversicherung im Fall einer bedingungsgemäßen Arbeitsunfähigkeit eine rentenförmige Versicherungsleistung. Allerdings stellt der Leistungsanspruch auf den Nachweis einer Arbeitsunfähigkeit des Versicherungsnehmers ab, wobei der Begriff der leistungsbegründenden Arbeitsunfähigkeit von einigen Gesellschaften an die Definition der Arbeitsunfähigkeit iSd Musterbedingungen für die Krankentagegeldversicherung anlehnt. In der laufenden Rechtsprechung wird jedoch regelmäßig darauf hingewiesen, dass sich Versicherungsbedingungen einem durchschnittlichen Verbraucher ohne versicherungsrechtliche Fachkenntnisse erschließen müssen. Das OLG Karlsruhe führte in seiner Urteilsbegründung ferner aus, dass das subjektive Risiko in der Krankentagegeldversicherung auch durch eine Arbeitsunfähigkeits-Zusatzversicherung erhöht werden kann. Dies würde aber für eine Anzeigepflicht des Versicherungsnehmers nicht ausreichen, solange der Versicherer dem Versicherungsnehmer nicht eine entsprechende Obliegenheit durch Aufnahme in seine Bedingungen ausdrücklich auferlegt.59

  1. Strategien für die Entschärfung der KT-BU-Schnittstelle

Die Rückforderung von bereits ausbezahltem Krankentagegeld im Fall eines rückwirkenden Anerkenntnisses einer leistungspflichtigen Berufsunfähigkeit ist für den betroffenen Versicherungsnehmer regelmäßig eine leidvolle und finanziell äußerst belastende Erfahrung, so dass präventive Maßnahmen zur Vermeidung von Rückforderungsansprüchen geboten sind. Eine Alternative ist die Vereinbarung einer tariflichen Karenzzeit für die Berufsunfähigkeitsversicherung. Führende Gesellschaften bieten zumeist eine Karenzzeit von sechs oder auch von 12 Monaten an.60 Sofern der Lebensversicherer seine Leistungspflicht anerkennt, kommt die vertraglich vereinbarte Berufsunfähigkeitsrente erst ab dem Ersten des siebten bzw. des 13. Monats nach Eintritt der Berufsunfähigkeit zur Auszahlung. Nachteilig ist allerdings, dass mit der Vereinbarung einer tariflichen Karenzzeit das Risiko einer Überschneidung der Leistungszahlungen des privaten Kranken- und des privaten Lebensversicherers minimiert, aber eben nicht vollständig ausgeschlossen werden kann.

Eine weitere Möglichkeit bietet sich mit der Vereinbarung des Ausschlusses eines rückwirkenden Leistungsanerkenntnisses durch den Lebensversicherer gegen Minderbeitrag, dh ein Leistungsanspruch des Versicherungsnehmers auf die Auszahlung der vertraglich vereinbarten Berufsunfähigkeitsrente besteht, unter der Maßgabe der Erfüllung der tarif­lichen Leistungsvoraussetzungen, erst ab dem Ersten des ­Folgemonats nach Anzeige der Berufsunfähigkeit beim Versicherer. Es liegt somit im Ermessen des Versicherungsnehmers den Beginn der Leistungszahlung durch den Lebensversicherer festzulegen. Die Anzeige eines Antrags auf Leistungen wegen Berufsunfähigkeit kann auf den Zeitpunkt der Beendigung der Krankentagegeldversicherung durch den privaten Krankenversicherer abgestellt und eine Rückforderung von Krankentagegeld dadurch vermieden werden. Vor allem mit dem Ausschluss eines rückwirkenden Leistungsanerkenntnisses im Fall einer bedingungsgemäßen Berufsunfähigkeit kann die Schnittstelle vom Krankentagegeld zur Berufsunfähigkeitsrente nachhaltig entschärft werden. Allerdings stellt sich die Frage, inwieweit sich eine derartige tarifliche Regelung auf dem Versicherungsmarkt durchsetzen wird. Nachdem eine derartige Vertragsklausel uU von den großen Ratingagenturen abgestraft wird, werden viele Versicherer auf eine derartige Tarifoption verzichten.

Einige Versicherungskonzerne garantieren ihren Kunden einen nahtlosen Übergang von der Zahlung von Krankentagegeld des privaten Krankenversicherers auf eine Zahlung der Berufsunfähigkeitsrente durch den privaten Lebensversicherer. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass der Versicherungsnehmer sowohl seine Krankentagegeld-­, als auch seine Berufsunfähigkeitsversicherung bei den Konzerngesellschaften der Versicherungsgruppe unterhält.

Zwischenzeitlich bieten auch einige private Krankenversicherer tarifliche Lösungen an, die das Risiko einer Rückforderung von Krankentagegeld nach Eintritt der Berufsunfähigkeit des Versicherungsnehmers ausschließen oder zumindest deutlich reduzieren. So stellen beispielsweise zwei private Krankenversicherer in ihren AVB für eine flankierende Krankentagegeldversicherung für Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung ihre Leistungspflicht auf den Anspruch des Versicherungsnehmers auf Kranken- oder Verletztengeld ab, dh der Anspruch auf eine Zahlung von Krankentagegeld besteht für die Dauer der Zahlung von Kranken- oder Verletztengeld. Ein rückwirkendes Anerkenntnis einer leistungspflichtigen Berufsunfähigkeit durch einen privaten Lebensversicherer begründet somit keinen Anspruch auf Rückforderung von Krankentagegeld durch den privaten Krankenversicherer. Ein weiterer Vorteil dieser Regelung der Leistungsvoraussetzungen ergibt sich ferner mit einem Anspruch auf Krankentagegeld für die Dauer einer Wiedereingliederungsmaßnahme nach § 74 SGB V.

Ein anderer Krankenversicherer hat in seinen AVB für den Fall eines rückwirkenden Leistungsanerkenntnisses des Lebensversicherers eine Rückforderung von Krankentagegeld zumindest teilweise ausgeschlossen. Der Versicherer mindert für die Dauer eines Parallelbezugs von Krankentagegeld und einer Berufsunfähigkeitsrente das Krankentagegeld um die Rentenleistung.

Für die Zielgruppe der Kammerberufe hat ein privater Krankenversicherer eine zeitliche Leistungsgarantie in seinen Versicherungsbedingungen für die Krankentagegeldversicherung abgeben. Danach besteht der Anspruch auf Krankentagegeld im Fall einer bedingungsgemäßen Arbeitsunfähigkeit für die Dauer von mind. 12 Monaten, dh auch bei Nachweis einer Berufsunfähigkeit bzw. des Bezugs einer Berufsunfähigkeitsrente durch den Versicherungsnehmer kommt es im Fall einer zeitlichen Überschneidung der Leistungszahlungen von Krankentagegeld und Berufsunfähigkeitsrente in den ersten 12 Monaten zu keinem begründeten Rückforderungsanspruch des privaten Krankenversicherers.

  1. Zusammenfassung

Die qualifizierte Absicherung der Arbeitskraft ist gleichermaßen für Arbeitnehmer, Freiberufler und Selbständige eine wichtige Maßnahme der persönlichen Existenzsicherung. Allerdings sollte die Absicherung der Arbeitskraft nicht mit der Einrichtung einer Berufsunfähigkeitsversicherung gleichgesetzt, sondern auch das Risiko der Arbeitsunfähigkeit bei der privaten Vorsorge zwingend berücksichtigt werden. Vor allem in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherte Arbeitnehmer mit einem Einkommen über der Beitragsbemessungsgrenze sowie Freiberufler und Selbständige sind im Fall einer längeren Arbeitsunfähigkeit oftmals nur unzureichend abgesichert, eine Versorgungslücke, die mit einer Krankentagegeldversicherung geschlossen werden kann.

Bei der Einrichtung einer Krankentagegeldversicherung muss zwischen einem flankierenden, den Anspruch auf Krankengeld ergänzenden, und einem substitutiven, den Krankengeldanspruch ersetzenden Versicherungsvertrag unterschieden werden. Für Versicherungsnehmer, die in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert sind, kann der längere Bezug des nicht beitragspflichtigen Krankentagegelds aus einer substitutiven Krankentagegeldversicherung den Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung wegen Nichterfüllung der Drei-Fünftel-Belegung mit Pflichtbeiträgen gefährden. Dieses Risiko kann mit einer Versicherungspflicht auf Antrag eliminiert und die sozialrechtlichen Voraussetzungen für den Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung erfüllt werden.

Bei der Einrichtung einer Krankentagegeld- und einer Berufsunfähigkeitsversicherung sollten mögliche Wechselwirkungen im Versicherungsfall zwingend beachtet werden. So führt der Eintritt der Berufsunfähigkeit des Versicherungsnehmers, die dem privaten Krankenversicherer unverzüglich nach Feststellung angezeigt werden muss, zur Beendigung der Krankentagegeldversicherung. Aufgrund der zumeist rückwirkenden Anerkennung der Leistungspflicht durch den Lebensversicherer führt dies regelmäßig zu einer Überschneidung des Bezugs von Krankentagegeld und der Berufsunfähigkeitsrente und in der Folge zu einem Rückforderungsanspruch des privaten Krankenversicherers. Vor allem im Fall einer substitutiven Krankentagegeldversicherung kann die Rückforderung von Krankentagegeld durch den Bezug der Berufsunfähigkeitsrente im gleichen Zeitraum regelmäßig nicht ausgeglichen werden. In diesem Zusammenhang muss auch die von vielen Lebensversicherern zwischenzeitlich angebotene „Gelbe-Schein-Regelung“ kritisch geprüft werden, die dem Versicherungsnehmer eine Leistungszahlung im Fall einer mindestens sechsmonatigen Arbeitsunfähigkeit sichert. Hier muss die Frage nach der Qualifizierung der Tarifleistung in jedem Fall gestellt werden. Sofern der Lebensversicherer im Fall einer bedingungsgemäßen Arbeitsunfähigkeit des Versicherungsnehmer die vertraglich vereinbarte Berufsunfähigkeitsrente ausbezahlt, kann auch dies einen Anspruch des Krankenversicherers auf Rückzahlung von Krankentagegeld begründen.


1 § 48 Abs. 1 S. 1 SGB V.

2 § 3 Abs. 1 S. 1 EntgFG; § 49 Abs. 1 Nr. 1 SGB V. Hinweis: Sofern der Arbeitnehmer einen arbeits- oder tarifvertraglich geregelten Entgeltfortzahlungsanspruch hat, der über die gesetzliche Regelung hinausreicht, verkürzt sich die maximale Bezugsdauer von Krankengeld entsprechend.

3 § 48 Abs. 1 S. 2 SGB V.

4 Für die Berechnung des Regelentgelts s. GKV-Spitzenverband et. al., Gemeinsames Rundschreiben v. 18./19.6.2019 zum Krankengeld nach § 44 SGB V und zum Verletztengeld nach § 45 SGB VII.

5 § 47 Abs. 1 S. 1 und 2 SGB V.

6 § 26 Abs. 2 Nr. 1 SGB III; § 3 S. 1 Nr. 3 SGB VI; § 20 SGB XI.

7 § 345 Nr. 5 SGB III.

8 § 166 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI.

9 § 57 Abs. 2 SGB XI.

10 § 4 Abs. 2 Verordnung über maßgebende Rechengrößen der Sozialversicherung für 2021, BGBl. I 2020, 2612. Hinweis: Nach dem Beschluss der Bundesregierung verbleibt die Jahresarbeitsentgeltgrenze nach § 6 Abs. 7 SGB V vorbehaltlich der Zustimmung durch den Bundesrat auch für 2022 bei 58.050 EUR; BR-Drs. 769/21 v. 20.10.2021, Verordnung über maßgebende Rechengrößen der Sozialversicherung für 2022.

11 § 53 Abs. 6 SGB V.

12 Anmerkung: Für Künstler und Publizisten sehen die Wahltarife zumeist eine Zahlung von Krankengeld ab dem 15. Tag und für andere selbständig tätige Mitglieder ab dem 22. Tag der Arbeitsunfähigkeit vor.

13 § 4 Abs. 2 MB/KT 2009 idF v. Jan. 2018. Für freiberuflich und selbständig tätige Versicherungsnehmer bzw. versicherte Personen sehen die Annahmerichtlinien vieler Gesellschaften eine prozentuale Bemessung des maximal versicherbaren Krankentagegelds in Abhängigkeit des Unternehmensumsatzes vor (vor allem bei Ärzten und Zahnärzten).

14 Hinweis: Einige wenige Gesellschaften räumen für den Fall einer längeren vollstationären Behandlung der versicherten Person eine beitragsfreie Fortführung des Versicherungsvertrages ab zB dem vierten Monat der vollstationären Behandlung ein.

15 Für Freiberufler und Selbständige setzt dies voraus, dass das Mitglied auf eine beitragspflichtige Absicherung von Krankengeld optiert hat.

16 § 2 Abs. 1 S. 1 und 2 Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit und die Maßnahmen zur stufenweisen Wiedereingliederung nach § 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 7 SGB V idF v. 21.4.2020, BAnz AT B1, 28.4.2020.

17 § 2 Abs. 2 S. 1 Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit und die Maßnahmen zur stufenweisen Wiedereingliederung nach § 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 7 SGB V idF v. 21.4.2020, BAnz AT B1, 28.4.2020.

18 § 1 Abs. 2 MB/KT 2009 idF v. Jan. 2018.

19 § 1 Abs. 3 MB/KT 2009 idF v. Jan. 2018. Hinweis: Zur besseren Lesbarkeit beschränkt sich die Darstellung auf eine Personenidentität von Versicherungsnehmer und versicherter Person.

20 BGH v. 11.3.2015 – IV ZR 54/14, BeckRS 2015, 5463.

21 Hinweis: In den AVB der Gesellschaften wird ein Grad der Arbeitsunfähigkeit von mind. 50 % für die Begründung eines Anspruchs auf Krankentagegeld benannt.

22 Schrehardt DStR 2013, 2344 (2346).

23 § 3 S. 1 Nr. 3 SGB VI.

24 § 50 Abs. 1 S. 1 SGB VI.

25 Hinweis: Zur vorzeitigen Erfüllung der allgemeinen Wartezeit s. § 53 Abs. 1 und 2 SGB VI.

26 § 43 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 und Abs. 2 S. 1 Nr. 2 SGB VI.

27 Gabke in Skipka/Winkler, SGB VI, 2008, § 43 Rn. 58.

28 § 4 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 SGB VI.

29 Der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung unterliegen beispielsweise auch die Vertreter der Heilhilfsberufe, zB Krankengymnasten oder Physiotherapeuten, selbständig tätige Lehrer, usw, die keinen sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen. § 2 SGB VI.

30 § 44 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 SGB V.

31 Segebrecht in Kreikebohm, SGB VI, 6. Aufl. 2021, § 4 Rn. 23; Reinhardt in Reinhardt/Silber, SGB VI, 4. Aufl. 2018, § 4 Rn. 14.

32 § 4 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 SGB VI.

33 § 15 Abs. 1 MB/KT 2009 idF v. Jan. 2018.

34 § 15 Abs. 1 a) und d) MB/KT 2009 idF v. Jan. 2018.

35 § 15 Abs. 1 e) MB/KT 2009 idF v. Jan. 2018.

36 § 15 Abs. 1 c) MB/KT 2009 idF v. Jan. 2018.

37 § 15 Abs. 1 b) MB/KT 2009 idF v. Jan. 2018.

38 § 15 Abs. 1 b) MB/KT 2009 idF v. Jan. 2018. Hinweis: Diese Regelung wurde von einigen Gesellschaften verbessert und eine Leistungszahlung im Fall einer fortbestehenden Arbeitsunfähigkeit nach Feststellung einer bedingungsgemäßen Berufsunfähigkeit für eine Dauer von maximal sechs Monaten in den AVB geregelt.

39 Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft eV, § 2 Abs. 1 Allgemeine Bedingungen für die Berufsunfähigkeits-Versicherung idF v. 28.4.2021, § 2 Abs. 1 Allgemeine Bedingungen für die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung idF v. 28.4.2021 und § 2 Abs. 1 Allgemeine Bedingungen für die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung zur Rentenversicherung gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 2 b) aa) EStG (Basisrente-Alter).

40 § 2 Abs. 4 S. 2 VVG-InfoV.

41 BGH v. 30.6.2010 – IV ZR 163/09, NJW 2010, 3657.

42 § 43 Abs. 1 und 2 SGB VI.

43 § 43 Abs. 1 S. 2 und Abs. 2 S. 2 SGB VI.

44 § 11 S. 1 MB/KT 2009 idF v. Jan. 2018.

45 § 11 S. 2 MB/KT 2009 idF v. Jan. 2018.

46 Anmerkung: Eine Gelbe-Schein-Regelung kann bei vielen Gesellschaften auch in Verbindung mit einer Berufsunfähigkeitszusatzversicherung der Versorgungsschicht 3 vereinbart werden.

47 Anmerkung: Leitbild der privaten Basisversorgung ist die gesetzliche Rentenversicherung; BZSt, Kommentar zum Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetz (AltZertG), Stand Nov. 2018.

48 BMF v. 12.8.2021 – IV C 5 – S 2333/19/10008:017, DOK 2021/0770982, BeckVerw 558235 Rn. 3c.

49 Hinweis: Einige wenige Gesellschaften beschränken die Leistungsdauer nur für den einzelnen Versicherungsfall.

50 § 5 EntgFG.

51 Art. 9 und Art. 16 Abs. 4 Drittes Gesetz zur Entlastung insbes. der mittelständischen Wirtschaft von Bürokratie, BGBl. I 2019, 1746.

52 Deutscher Bundestag, Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Entlastung insbes. der mittelständischen Wirtschaft von Bürokratie, BT-Drs. 19/13959 v. 14.10.2019, 37.

53 OLG Hamm v. 10.2.2016 – 20 U 204/15, BeckRS 2016, 12828; OLG Saarbrücken v. 14.3.2018 – 5 U 37/17, ZfS 2019, 35; LG Köln v. 25.4.2018 – 23 O 284/17, BeckRS 2018, 48028; OLG Köln v. 20.11.2018 – 9 U 32/18, BeckRS 2018, 34653; LG Cottbus v. 9.1.2020 – 6 O 444/18, BeckRS 2020, 2563.

54 § 173 Abs. 2 VVG.

55 OLG Saarbrücken v. 14.3.2018 – 5 U 37/17, ZfS 2019, 35.

56 § 9 Abs. 6 MB/KT 2009 idF v. Jan. 2018.

57 OLG Karlsruhe v. 16.6.2005 – 12 U 381/04, NJW-RR 2005, 1272.

58 OLG Karlsruhe v. 16.6.2005 – 12 U 381/04, NJW-RR 2005, 1272 Rn. 23.

59 OLG Karlsruhe v. 16.6.2005 – 12 U 381/04, NJW-RR 2005, 1272 Rn. 22.

60 Hinweis: Einzelne Lebensversicherer bieten auch längere Karenzzeiten an.

 

Alexander Schrehardt ist Betriebswirt bAV (FH) und Geschäftsführer der Consilium Beratungsgesellschaft für betriebliche Altersversorgung mbH (Versicherungsberater nach § 34d Abs. 2 GewO), Höchstadt/Aisch.